Als Whistleblower wirkst du auf internationaler Ebene, nun führst du die AL-Kantonsratsliste im Bezirk Bülach an. Was reizt dich am Zürcher Rathaus?
Ich sehe es weniger als Reiz, sondern eher als Bürgerpflicht, meine internationalen Erfahrungen, aber auch meine Erfahrungen mit den Zürcher Behörden und mein breites Fachwissen als systemkritischer Wirtschaftsprüfer am Ende meiner Berufskarriere einzubringen.
Für welche Themen willst du dich im Kantonsrat besonders einsetzen?
Als ehemaliges Arbeiterkind aus dem Zürcher Industriequartier ist mir das Thema soziale Gerechtigkeit immer sehr nahe gewesen: Keine Steuersenkungen für Unternehmen, Tagesschulen für alle, Prämienverbilligung, Menschenrechte und insbesondere Schutz von sozial Schwachen, Familien, Geflüchteten und Whistleblower*innen sowie Chancengleichheit.
Auf der linken Ratsseite hast du mit Sisyphus-Arbeit zu rechnen.
Na ja, ich habe mich in den letzten 14 Jahren daran gewöhnt, viel Sisyphusarbeit in Form meiner mittlerweile 60 Laienbeschwerden an die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu verrichten. Ich war erfolgreich, als das Bundesgericht der Zürcher Justiz eine saftige Willkürrüge erteilte und es sich für einen Freispruch zur Bankgeheimnisverletzung entschied. Erfolg verlangt Sisyphusarbeit, denn die Ursachen von Missständen liegen eben meistens im Detail, z.B. im Kleingedruckten und in den verschlüsselten Formulierungen!
Du hast Rückschläge wie auch Erfolge erlebt. Was möchtest du unbedingt noch erreichen?
Ein wichtiges Nebenziel ist, vor allem im privaten Sektor einen effektiven Whistleblower-Schutz zu etablieren. Es ist ein Armutszeugnis unserer aufgeklärten Zivilgesellschaft, dass Missstände totgeschwiegen werden müssen, weil die Mitwissenden den sozialen, finanziellen und beruflichen Tod zurecht vermeiden wollen. Damit sind auch die Menschenrechte eng verbunden, und sie betreffen meine Hauptziele: Eine massive Verbesserung der Steuer- und Gendergerechtigkeit, Chancengleichheit für alle und effektivere Behörden.
Interview: Maria Eisele
Aus: AL-Info 19/01