AL-Info, Januar 2010
Ein Projekt ohne Konzept … und keine Fragen
Es gab öffentliche Besäufnisse. Es gab den Hilferuf aus den Notfallstationen der Spitäler, die unter der grossen Zahl völlig zugedröhnter junger Menschen leiden, die jedes Wochenende eingeliefert werden. Und es gab eine Taskforce der Stadt Zürich. Und ab dem 12. März 2010 wird es in einem unbenutzten Zellentrakt auf der Polizeihauptwache Urania eine „Zentrale Ausnüchterungsstelle“ – kurz ZAS – geben, in der private Hilfspolizisten unter der Aufsicht der Stadtpolizei und mit Unterstützung von PflegerInnen Wochenende für Wochenende ein buntes Gemisch von besoffenen Krakelern, Alkoholikern und dringend auf medizinische Hilfe angewiesene Drogenabhängige in Gewahrsam halten.
Per Novemberbrief hat der Stadtrat dem Gemeinderat die rund 750’000 Franken beantragt, die er für den Betrieb dieser seltsamen Einrichtung benötigt. Die Kritik der AL, man soll doch bitte zuerst ein Konzept ausarbeiten und die pflegerischen von den sicherheitspolizeilichen Aufträgen trennen (weil deren Durchmischung allen nur Ungemach bescheren werde), wurde abgeschmettert. Die Kritik von Drogenfachleuten, die explizit davor warnen, polizeiliche Zwangsmassnahmen mit Massnahmen der Suchtprävention zu vermischen, wurde gar nicht eingeholt.
Professoren, die aufrütteln
Als am 3. Januar die NZZ am Sonntag die lange zuvor publizierte Ausschreibung des Auftrags für den „Ordnungs- und Sicherheitsdienst(es)“ in der Zentralen Ausnüchterungsstelle bekannt machte, gab es im Gemeinderat dann doch noch ein Rumoren. Aus den der NZZ vorliegenden Unterlagen ging nämlich klar hervor, dass Robert Neukomm und Esther Maurer der Stadt neben dem Ausnüchterungsgefängnis auch noch die private Hilfspolizei schenken wollen, an die staatliche Zwangsmassnahmen delegiert werden dürfen. Zwangsmassnahmen, die wegen des vielbesungenen „staatlichen Gewaltmonopols“ eigentlich nur vereidigte Beamte anwenden dürfen.
Die von einer privaten Sicherheitsfirma angestellte „SachbearbeiterIn Ordnungs- und Sicherheitsdienst in der ZAS“ soll nämlich „die Stadtpolizei“ auch bei „der Zuführung von Personen“ sowie bei „Sicherheitsmassnahmen wie z.B. der Fesselung von Renitenten“ unterstützen (Zitat aus den Ausschreibungsunterlagen der Stadtpolizei -> Dokument). Ein Vorschlag, den die von der NZZ am Sonntag kontaktierten Staatsrechtler als Unding bezeichneten, und der immerhin 37 Parlamentarier/-innen von SP bis CVP dazu bewegt hat, am 6. Januar die von der AL formulierten kritischen Fragen (-> Link) zu diesem Vorgang als dringlich zu bezeichnen.
Die Sicherheits-Partei bleibt, wie sie war
In der Budgetdebatte hat der Gemeinderat allerdings zuvor schon ein Postulat überwiesen, das die vermehrte Vergabe von Polizeiaufgaben an Private verlangt. Esther Maurer wollte den Vorstoss nicht entgegennehmen. SP-Stadtratskandidatin Claudia Nielsen hat in der Debatte jedoch die Zustimmung der SP-Fraktion signalisiert, wenn der Zusatz „das staatliche Gewaltmonopol (bleibt) vollumfänglich erhalten“ an den Postulatstext der FDP angehängt werde. Esther Maurer und Robert Neukomm werden sicher davon ausgehen, dass sie beim Einsatz privater Gefängniswärter im Ausnüchterungsgefängnis diesem Zusatz nachleben.
Man wird auch nicht als bösartig bezeichnet werden dürfen, wenn man festhält: An der autoritären Sicherheitspolitik wird es nach dem Sesselrücken in der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion keine Änderung geben.