Als frisch nachgerückter Gemeinderat – ich ersetze seit diesem Sommer Corin Schäfli in der AL-Fraktion – ist mir die Wohnpolitik ein besonderes Anliegen. Nicht zuletzt, weil ich das Quartier am Kreuzplatz, in dem ich geboren und aufgewachsen bin und mit meiner Familie bis 2014 gewohnt habe, nach einer Renovationskündigung mangels erschwinglicher Wohnungen verlassen musste. So ist mir die Angelegenheit, über die ich im Folgenden berichte, tüchtig ins Auge gestochen.
Die Stadt Zürich beabsichtigt, das Cabaret Voltaire an der Spiegelgasse, die Geburtsstätte der Dada-Bewegung, in städtischen Besitz zu überführen. Dieser Ort von hoher kultureller Bedeutung soll längerfristig gesichert werden, so die Absicht des Stadtrats. Daran kann ich als an Kultur interessierter und darin beruflich tätiger Bürger dieser Stadt wenig aussetzen. Deutlich weniger Sympathie habe ich als Gemeinderat der Stadtkreise 7 und 8 dafür, auf welche Weise man dieses Anliegen umzusetzen plant. Es soll ein Liegenschaftentausch vorgenommen werden mit der Anlagestiftung Swiss Life, der aktuellen Besitzerin der Liegenschaft an der Spiegelgasse. Swiss Life bekäme im Tausch für das Dada-Haus und eine Liegenschaft im Kreis 2 von der Stadt ein Haus an der Rämistrasse und das Grundstück im Seefeld, auf dem heute das Parkhaus Hallenstrasse steht. Dieses Parkhaus ist nicht nur ein baulicher Schandfleck im Quartier, sondern vor allem eine Fehlinvestition der Stadt: Die vor 15 Jahren eingebaute vollautomatischen Parkierungsanlage hat nie richtig funktioniert, seit 2002 wird das Parkhaus gar nicht mehr öffentlich betrieben, sondern für einen Spottpreis einer Autoleasing-Firma vermietet.
Beim genaueren Hinsehen wird klar, dass das Tauschgeschäft alles andere als mieterfreundlich ist: Die Stadt erhält in der historischen Dada-Stätte an der Spiegelgasse vier komplett überteuerte Altstadtwohnungen, bei denen sie die volle Kostenmiete auf dem Markt nie erzielen kann, und sechs Wohnungen in der Enge, deren heute moderate Mietzinse sie gemäss Kostenmiete noch erhöhen müsste. An der Hallenstrasse hingegen könnte sie – nach Abschreibung des unrentablen Parkhauses – 17 für das Seefeld vergleichsweise kostengünstige 2.5-Zimmerwohnungen erstellen.
Die Tauschpartnerin der Stadt, die Anlagestiftung Swiss Life, ist den Bewohnern des Seefelds keine Unbekannte, hat sie doch 2014 dem Seefelder Immobilienmagnaten Urs Ledermann fast die Hälfte seines Liegenschafts-Portfolio abgekauft. Kein wirklicher Beitrag zur Beruhigung der überhitzen Marktmieten in Zürichs Hipster-Meile! Für „normale“ Menschen, also Werktätige, Familien, Student/innen und Senior/innen, gibt es im Seefeld schon lange gar nichts mehr zum Mieten. Und just einem der grössten Hechte im Immobilienteich will die Stadt Zürich ein Grundstück überlassen, das ein Steinwurf vom Sechseläutenplatz entfernt, zur besten Wohnlage gehört. Es gibt keinen Zweifel darüber, dass auf dem 585 m2 umfassenden Grundstück einmal mehr Luxus-Appartements für eine solvente Kundschaft entstehen, und all diejenigen, die wegen Renovierung und Abbrüchen im Quartier ihre Bleibe verlieren, aussen vor bleiben.
Dieser Immobilienschacher scheint mir umso skandalöser, als er uns unter dem Vorwand der Bewahrung des Dada-Erbes untergejubelt wird. Höchste Zeit, den Geist der vor hundert Jahren entstanden Bewegung aufzunehmen und geistige Purzelbäume zu schlagen. Wie wäre es, wenn die bestimmt nicht mittelose Swiss Life dem Carabet Voltaire Miete im Nulltarif zustehen würde. Und wenn die Stadt am Einfallstor zum Seefeld, anstelle des Parkhauses ein Symbolstätte des sozialen Wohnungsbaus errichten würde?
Mischa Schiwow, Gemeinderat AL 7/8
(Meh Biss im P.S. 18. November 2016)
“Dada im Seefeld” als PDF