Am 7. März startet die SBB eine Serie von öffentlichen workshops für die Entwicklung des Areals Neugasse bei der Josefswiese. Auf www.neugasse-zuerich.ch hat sie ihre planerischen Vorgaben abgesteckt: 25% Gewerbe und 75% Wohnen, davon ein Drittel gemeinnützig. Auf dem rund 30’000 m2 grossen Areal können 300 bis 400 Wohnungen entstehen.
Wir fordern: 100% gemeinnützige Wohnungen
Bürgerbeteiligung, ein Drittel gemeinnützige Wohnungen: das klingt auf Anhieb sehr grosszügig. Die SBB hat zweifellos dazu gelernt. Ihr ist klar: ohne den Einbezug einer zunehmend SBB-kritischeren Öffentlichkeit und ohne ein Zückerchen zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist die Umzonung des Areals – es liegt heute in der Industriezone, wo Wohnungsbau verboten ist – politisch nicht zu haben.
Doch mit diesem Ablasshandel eines Drittels gemeinnütziger Wohnungen lassen wir uns nicht abspeisen. Als Korrektur und Kompensation für die verheerende bisherige Wohnbaupolitik der SBB AG gibt es nur eins: auf dem Neugasse-Areal müssen alle Wohnungen nach gemeinnützigen Bedingungen realisiert werden.
Ein mehr als begründetes Postulat
Diese Forderung ist mehr als begründet. Auf ihren Arealen längs des Gleisfeldes – Europaallee, Zollstrasse-Ost, Westlink (Bahnhof Altstetten), Letzibach C und Wohnhaus Letzi (beide an der Hohlstrasse) – hat die SBB seit 2012 in der Stadt Zürich 1’023 Wohnungen gebaut oder ist daran, sie zu erstellen. Alle im oberen bis obersten Marktsegment, zu Preisen, bei denen das Gros der Bevölkerung nicht mithalten kann.
Abzocker-Mieten in der Europaallee…
„Rund 500 Wohnungen entstehen im Stadtraum HB Zürich“, schrieb der Stadtrat im September 2006 in der Abstimmungszeitung zum Gestaltungsplan für die Europaallee und die SP verwies stolz darauf, dass sie der SBB eine Erhöhung des Mindestwohnanteils abgetrotzt habe. „Mehr als ein paar teure Luxus-Lofts liegen nicht drin“, konterte damals die AL.
Die AL sollte leider Recht behalten: Statt den versprochenen 500 Wohnungen werden jetzt nur 396 gebaut, der fehlende Rest zur Erfüllung des heldenhaft «erkämpften» höheren Mindestwohnanteils wird in Form von 174 Hotelzimmern im Designhotel 25hours «realisiert» (baurechtlich gelten auch Hotelzimmer als Wohnraum…). Die 46 Eigentumswohnungen auf Baufeld G hat die SBB 2013 – bisher unüblich in Zürich – an den Meistbietenden versteigert. Bei geschätzten Baukosten von 35 Mio Franken hat sie einen Verkaufserlös von rund 100 Mio Franken erzielt. Aus dem Gewinn errechnet sich ein geradezu obszöner Landpreis von 71‘000.- pro m2 Bodenfläche. Auf Baufeld E kann man 3.5- und 4.5-Zimmer-Wohnungen für 4’940 – 5’885.- mieten, auf Baufeld H muss man 3’350 – 5’630 Franken auslegen. Gar nicht zu reden von den 78 2.5- bis 4.5-Zimmer-Apartments in der Seniorenresidenz GUSTAV «für exklusives Wohnen im besten Alter», die anfänglich für astronomische 8’500 bis 18’800 Franken pro Monat angeboten wurden. Da der Markt diese Abzocke offenbar nicht schluckt, wird mittlerweile ein Drittel zu deutlich niedrigeren, aber immer noch rekordhohen Mieten als «serviced Apartments» vermarktet.
…und in WestLink und Letzibach C
Bei der Überbauung WestLink am Bahnhof Altstetten sieht es nicht viel besser aus. Die 1.5-Zimmer-Wohnungen kosten zwischen 2’080 und 2’610 Franken, 2.5-Zimmer-Wohnungen sind für 2’145 bis 4’220 Franken zu haben und für eine 3.5-Zimmer-Wohnung muss man zwischen 3’460 und 4’430 Franken hinblättern. Letzibach C an der Hohlstrasse: 1’785.- für die 1.5-Zimmer-Wohnungen, 2’760 – 3’270.- für 3.5 Zimmer und 3’255 – 3’690.- für 4.5 Zimmer.
Wohlgemerkt: all diese Bauten stehen auf Land, das die SBB-Vorgängerin Nordostbahn AG des Alfred Escher vor 100 bis 150 Jahren für gerade mal 1 bis 10 Franken pro m2 erworben hat!
SBB kooperiert nur unter Druck
Zugeständnisse zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus hat die SBB AG nur bei zwei Arealen gemacht – nicht aus eigenen Stücken, sondern weil ihr schlicht nichts Anderes übrigblieb. Beim Areal Zollstrasse West, weil sie ihre eigene Parzelle, eingeklemmt zwischen Geleisen und einem Areal der Stadt Zürich, nicht selbständig überbauen konnte (geplant: Genossenschaftsprojekt Zollhaus mit 48 Wohnungen). Und beim Areal Letzibach D, das sie der Stadt verkaufen musste, um von dieser ein Näherbaurecht zu erhalten, ohne das sie ihr Projekt WestLink nicht hätte realisieren können (geplant: 250 städtische Wohnungen).