
Kein extraterritoriales Schweizer Recht
Hauptstreitpunkt der Verhandlung war die Frage, ob die aus seiner Tätigkeit bei der Julius Baer Bank and Trust Company Ltd. auf den Cayman Islands stammenden Bankdaten, die Ruedi Elmer unbestrittenermassen auf einer CD der Eidgenössischen Steuerverwaltung und den Steuerämtern von Basel und Zürich hatte zukommen lassen, dem Schweizer Bankgeheimnis unterliegen oder nicht. Die Erstinstanz hatte dies klar bejaht. Das Obergericht verneinte dies ebenso deutlich. Eine Verurteilung von Ruedi Elmer wegen Bruch des Schweizer Bankgeheimnisses sei nur möglich, wenn die Staatsanwaltschaft einwandfrei belegen könne, dass auf der fraglichen CD auch Daten der Julius Bär aus Zürich enthalten seien. Um dies belegen und allfällige Zürcher Konti identifizieren zu können, braucht es allerdings die Kooperation der Bank, die damit ihrerseits das Bankgeheimnis brechen müsste… Auch in den beiden anderen Anklagepunkten – der angeblichen Zustellung der Bank-Bär-CD und dem Versand eines Droh-Emails – schickte das Gericht den Staatsanwalt wegen ungenügender Belege zum Nachbessern nach Hause.
Lange Gesichter bei Staatsanwalt und Bank-Bär-Vertreter
Der Leitende Staatsanwalt Rolf Jäger und der Rechtsvertreter der Bank Bär gaben sich zu Beginn siegessicher. Während die Verteidigerin auf die Frage des Gerichtspräsidenten angab, sie benötige für ihr Plädoyer 90 Minuten, befand Jäger, er brauche bloss 20. Bär-Vertreter Kurt Langhard – aus der Kanzlei von CVP-Ständerat Bruno Frick (Roesle Frick & Partner) – erklärte süffisant, ihm reichten 3 Minuten. Wenig substantiell, dafür umso hetzerischer war Jägers Plädoyer. Während die UBS mit dem Segen der Politik bereits über 4‘000 Kundendaten an die amerikanischen Steuerbehörden geliefert hat und die CS zurzeit daran ist, es ihr nachzutun, forderte er für Ruedi Elmer, der die Machenschaften der Bank und ihre Beihilfe zur Steuerhinterziehung anprangert, die volle Härte des Gesetzes und eine Verschärfung der vom Bezirksgericht ausgesprochenen Strafe.
Straffreiheit für alle – ausser Ruedi Elmer?
In pikantem Kontrast zur Philippika des Staatsanwalts – die angesichts des massenhaften Geheimnisbruchs durch die Banken selber eher grotesk wirkte – steht Art. 17 des im September 2011 unterzeichneten schweizerisch-deutschen Abkommens über die Abgeltungssteuer. Darin wird allen deutschen Steuerhinterziehern, ihren CH-Bankkomplizen und den Steuer-CD-Verkäufern explizit Straffreiheit zugesichert: „Beteiligte an einer Steuerstraftat…vor Unterzeichnung dieses Abkommens…werden nicht verfolgt. Beteiligte an Straftaten…im Zusammenhang mit dem Erwerb steuererheblicher Daten von Bankkunden vor Unterzeichnung dieses Abkommens…werden weder nach schweizerischem noch nach deutschem Recht verfolgt; bereits hängige Verfahren werden eingestellt.“ Allerdings mit einer Ausnahme: „Davon ausgeschlossen sind Verfahren nach schweizerischem Recht gegen Mitarbeitende von Banken in der Schweiz.“ Man ist versucht, von einer Lex Elmer zu sprechen. Die allerdings mangels Tatbestand nicht zum Zug gekommen ist…
„Späte Erkenntnis einer Binsenwahrheit“ (NZZ)
Amüsant und lesenswert auch der Kommentar von –yr. in der NZZ vom 19. November über die „späte Erkenntnis dieser Binsenwahrheit durch die Justiz“, dass auf den Cayman-Inseln kein Schweizer Recht herrsche:
„Auf dieser simplen Erkenntnis“ – so die NZZ – „hatte Elmer von Anfang an seine Verteidigungsstrategie aufgebaut. Sowohl die Staatsanwaltschaft Winterthur wie auch das Bezirksgericht Zürich waren ziemlich salopp über diesen nicht unwesentlichen Einwand hinweggegangen. Aufgrund seines Arbeitsvertrags nach Schweizer Recht sei Elmer auch während seiner Tätigkeit in der Karibik Schweizer Bankenrecht unterstanden, hiess es im erstinstanzlichen Urteil.
Diese Einschätzung widerspricht der gängigen Praxis in der Finanzbranche. Diese ist sich seit je bewusst, dass das Schweizer Bankgeheimnis – abgesehen von den diversen Aufweichungen in letzter Zeit – nur innerhalb der Landesgrenzen gilt. So schreibt die Aufsichtsbehörde Finma bei der Auslagerung von IT-Bereichen ins Ausland den Banken vor, die Kunden auf diesen Umstand hinzuweisen. Wie aus einem solchen Schreiben hervorgeht, unterliegen die nach Indien oder Polen gelieferten Daten nicht mehr dem Schweizer Bankgeheimnis.“
AL-Flugblatt zum Obergerichts-Prozess (PDF)
Prozessbericht WoZ (24. November 2011, PDF)
Prozessbericht P.S. (24. November 2011, PDF)
Weitere Infos zu Ruedi Elmer auf der AL-Webseite: http://al-zh.ch/aktuelles/artikel/article/ruedi-elmer-ich-zeigte-zivilcourage.html
http://al-zh.ch/aktuelles/artikel/article/den-ruedi-will-man-haengen-den-kaspar-laesst-man-laufen.html