Die Qualität des Gesundheitssystems eines Landes ist primär abhängig von der Qualität der Grundversorgung und nicht von hochtechnisierten Spitzenleistungen. Umso stossender ist es, dass in der Schweiz die Einkommen in der Grundversorgung (Hausarztmedizin, Pädiatrie, Psychiatrie) massiv tiefer sind als in der sogenannten Spitzenmedizin. Dies führt dazu, dass es in den systemrelevantesten Berufsgruppen (Grundversorgung) immer schwieriger wird, genügend Nachwuchs zu rekrutieren. Es ist für Ärzt*innen in Ausbildung attraktiver, sich für eine besser bezahlte Fachrichtung zu entscheiden.
Das gleiche Prinzip gilt auch für den Bereich der Pflege, wo ebenfalls ein bedrohlicher Personalmangel absehbar ist. In den Pflegeberufen beträgt die mittlere Verweildauer bis zu Berufsaufgabe oder -wechsel lediglich 15 bis 20 Jahre. Dies, sowie die ungenügenden Ausbildungsplätze führt dazu, dass immer mehr ausländisches Personal in die Schweiz gelockt werden muss. In den betroffenen Ländern führt dies jedoch zu einem Verlust an Know-how, der wiederum durch Abwerbung weiterer Arbeitskräfte aus anderen Ländern kompensiert werden muss. Es darf nicht sein, dass wir andere Länder die Ausbildung ihrer Fachkräfte bezahlen lassen, um damit unsere eigenen Versäumnisse auszugleichen.
Leider ist es so, dass unser Gesundheitssystem auf verschiedenen Ebenen Fehlanreize setzt:
- Dazu gehört der Arzttarif TARMEDDer TARMED-Tarif (Tarif Medical) regelt die Vergütung ambulant erbrachter ärztlicher Leistungen in Praxen und Spitälern. Er gilt nicht für Zahnärzt*innen, Laboranalysen, Hebammenleistungen, Physio- und..., mit welchem die ambulant in Praxen und Spitälern erbrachten Leistungen vergütet wird. Die technisch-apparativen Arztleistungen werden massiv besser honoriert als die zeitintensiven Leistungen, welche Grundversorger*innen mit. der Beratung und Betreuung von Patient*innen erbringen.
- In diesem Zusammenhang sind auch horrend teure Medikamente zu erwähnen, welche nur wenigen Patient*innen einen Nutzen, der Pharmaindustrie jedoch durch intransparente Preispolitik fette Gewinne bescheren.
- Auch Spital-Zusatzversicherungen führen wegen attraktiver Zusatzhonorare zu Anreizen, hochtechnisierte Eingriffe bei Zusatzversicherten häufiger durchzuführen als bei Grundversicherten. Solche überflüssigen Eingriffe belasten aber nicht nur die Patient*innen, sondern auch die durch alle Prämienzahler*innen finanzierte Grundversicherung sowie erst noch die Steuerzahler*innen mit jährlich rund 400 Mio. Franken! Bei jeder stationären Behandlung (auch im Privatspital) wird gemäss SwissDRGStationäre Spitalaufenthalte in der Akutsomatik werden seit dem Inkrafttreten des neuen Spitalfinanzierungsgesetzes am 1.1.2012 mit Fallpauschalen namens SwissDRG vergütet. DRG heisst Diagnosis Related Groups,... der Grundversicherung ein Sockelbeitrag verrechnet.
Wir dürfen nicht zulassen, dass teure Apparatemedizin lohnender ist als die Zeitinvestition im Rahmen der Pflege oder im ärztlichen Gespräch. Eine Geld-Umverteilung ist dringend nötig, weg von der technischen Spitzenmedizin, hin zur Grundversorgung. Dazu gehört ausdrücklich auch die Palliativmedizin. Ausserdem sind auch sämtliche noch bestehenden geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierungen auszugleichen. Zudem ist in der Schweiz die Ausbildung in der Pflege und den Fächern der medizinischen Grundversorgung dringend und massiv zu fördern!