Du warst lange Zeit im Vorstand, hast die VV’s geleitet und warst auch ein wenig die informelle Präsidentin der AL – viel Arbeit im Hintergrund. Was reizt dich jetzt, auf einem Spitzenplatz für den Gemeinderat zu kandidieren?
Das Parlament ist ein wichtiges politisches Instrument, das wir nutzen können,
um unsere Politik umzusetzen. Ich bin eine grosse Verfechterin der Bewegung, darin bin ich politisiert worden – so wie viele in der AL. Sie ist der Motor für mein Engagement. Aktivismus und Parlamentarismus können sich jedoch gut ergänzen. Und nach zehn Jahren Vorstandsarbeit weiss ich: Auf kommunaler Ebene ist die AL stark. Ich würde gerne zusammen mit der AL-Fraktion im Gemeinderat die Stadt Zürich mitgestalten.
Bist du in Zürich aufgewachsen?
Nein, im Zürcher Unterland. Nach der Kanti in Bülach bin ich mit zwanzig nach
Zürich gezogen.
Was hat dich politisiert?
Das autonome Jugendhaus in Bachenbülach. Dort war ich während meiner Kanti-Zeit viel unterwegs und bin eher zufällig in die «Polit-Gruppe» reingerutscht.
Wir haben Konzerte und Demos organisiert, Hausbesetzer:innen unterstützt und für Geflüchtete Zmorge gemacht. Auch in Zürich waren wir an Demos dabei. Es war die Zeit der Wohlgroth-Räumung – repressiv, viel Tränengas. Nach meinem Umzug nach Zürich habe ich mich in der Sans-Papiers-Bewegung engagiert – und das Grossmünster besetzt! Gleichzeitig eröffneten wir in einem Keller ein Kafi für Sans-Papiers, verteilten auf der Strasse Samichlaus-Säckli mit «Anti-Rassinol»-Tabletten oder stürmten bei einer Aufführung von Christoph Schlingensief im Schauspielhaus die Bühne und führten unser eigenes Theater auf. So Sachen halt (lacht).
Und wie bist du zur AL gekommen?
Meine damalige Mitbewohnerin und Freundin Anja Peter war in der AL (später die erste AL-Gemeinderätin in Winterthur und Parteisekretärin, Anm. d. Redaktion). Sie nahm mich an eine VV im alten Volkshaus mit. Dass ich auch als Nicht-Parteimitglied einfach mitmachen konnte, fand ich toll. Wir haben Julia (Junge Alternative Linke) gegründet. Das war sehr aktivistisch, wirklich eine tolle Zeit. Ist inzwischen aber auch schon über zwanzig Jahre her.
Aber aktivistisch bist du ja nach wie vor unterwegs…
Ja, ich engagiere mich unter anderem im feministischen Streikkollektiv. Auch da bin ich über die AL reingerutscht: Die AL-Frauen wurden zur ersten Vorbereitungssitzung des Frauenstreiks (heute «Feministischer Streik») eingeladen. Ich hatte mich bis dahin nicht oft in FLINTA*-Räumen bewegt, aber es interessierte mich, also bin ich hingegangen – und traf dort viele alte Weggefährt:innen. Schon auf dem Heimweg wusste ich: Das wird gut. Seither bin ich dabei.
Und das würdest du auch als Parlamentarierin weitermachen?
Auf jeden Fall. Für mich ist aber klar, dass ich im Streikkollektiv als Privatperson aktiv bleibe.
Wo möchtest du im Gemeinderat anpacken, falls es uns gelingt, den zweiten Sitz im Wahlkreis 4+5 zurückzuerobern?
Als Sozialarbeiterin ist für mich Teilhabe zentral. Ich will mich dafür einsetzen, dass alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können. Das ist in Zürich immer weniger der Fall – sei es beim Wohnen, bei der Bildung oder der Gesundheit. Das sind existentielle Themen. Aufgrund meiner Ausbildung und Berufserfahrung sind sicherlich Bildung und Wohnen Bereiche, wo ich mir erhoffe, etwas bewegen zu können. Und natürlich werde ich unabhängig von spezifischen Politikfeldern versuchen, stets meine feministische Perspektive in die Debatten einzubringen.
Interview Christian Caspar. Erschienen im AL-Info 04/25.