
Worum geht es? Praktisch bedeutet die vorgeschlagene Revision, dass die Kapitalsteuer zwar auf dem Papier weiterhin geschuldet ist, aber in dem Umfang frankenmässig reduziert wird, wie die juristische Person Gewinnsteuern entrichtet. Dagegen spricht eine Reihe von Gründen.
1. Negativer Volksentscheid von 2012
Die Anrechnung der Gewinnsteuer an die Kapitalsteuer wurde dank einem Volksreferendum der AL und einem von der AL initiierten Gemeindereferendum der Stadt Zürich im Juni 2012 abgelehnt. Seither sind keine neuen Gesichtspunkte aufgetaucht, die eine Neubeurteilung erfordern.
2. Kapitalsteuer entfällt bereits ab 1.15% Rendite auf dem Kapital
Die Kapitalsteuer wird bereits bei einer sehr tiefen Gewinnmarge durch eine Anrechnung der Gewinnsteuer neutralisiert. Auf 1 Million Franken Kapital muss eine Firma eine Kapitalsteuer (einfache Staatssteuer) von 750 Franken entrichten. Bei einem steuerbaren Gewinn von 11’464 Franken zahlt sie 750 Franken Gewinnsteuer, womit die Kapitalsteuer vollständig kompensiert wird. Sobald also der steuerbare Ertrag 1.15% des steuerbaren Kapitals erreicht, fällt die Kapitalsteuer bereits vollständig weg. Fazit: Die Kapitalsteuer wird faktisch abgeschafft.
Die Stadtzürcher Steuer-Statistik zeigt, dass bei Firmen, die Gewinn erzielen, in allen Ertragsklassen der steuerbare Gewinn mehr als 1.15% des Kapitals ausmacht; die Bandbreite liegt zwischen 1.44% bei der Ertragsklasse von 100 bis 9’900 Franken und 20.46% bei der Ertragsklasse von 10 Mio Franken und mehr.
3. Grossfirmen profitieren
Die Kapitalsteuer stellt für die meisten Firmen eine vernachlässigbare Belastung dar. Das zeigen Zahlen aus der Stadt Zürich:
- Sechs von sieben Firmen (86.6%) versteuern ein Kapital von weniger als 1 Mio CHF;
- Bei einem Kapital von 100‘000 CHF beträgt die Kapitalsteuer gerade mal 170 CHF (Staats- und Gemeindesteuer plus Kirchensteuer); bei einem Kapital von 1 Mio CHF sind es 1‘702 CHF.
Hauptprofiteure einer Entlastung sind klar grosse, ertrag- und kapitalstarke Firmen. Auch das zeigen Zahlen aus der Stadt Zürich deutlich:
- 261 Firmen mit einem steuerbaren Ertrag von 10 und mehr Mio Franken zahlen 72 Prozent der Kapitalsteuern aller Firmen, die einen steuerbaren Ertrag deklarieren. Damit würden knapp drei Viertel der geplanten Steuerentlastung auf diese kleine Gruppe entfallen.
4. Stadt Zürich ist Hauptleidtragende
Überproportional betroffen von den Steuerausfällen sind Gemeinden mit Sitzen von kapitalstarken grösseren Firmen (Opfikon, Winterthur, Kloten, Horgen, Wallisellen, Stäfa, Kilchberg). Hauptleidtragende ist die Stadt Zürich:
- Von 245.1 Mrd CHF steuerbarem Eigenkapital im Kanton im Jahr 2023 entfielen 163.1 Mrd CHF oder 66.5% auf Firmen in der Stadt Zürich.
5. Stadt Zürich verliert 80 Mio Franken
2023 zahlten die juristischen Personen 145.5 Mio CHF Kapitalsteuer an die Stadt. Zwei Drittel erzielten keinen Gewinn und können deshalb nicht von der Anrechnung der Gewinnsteuer profitieren. Auf die Firmen, die überhaupt Gewinne versteuern, entfallen 81.2 Mio CHF. Dieser Betrag kann praktisch vollständig durch Anrechnung der Gewinnsteuer kompensiert werden. Der Einnahmenausfall entspricht mehr als 4 Steuerprozenten.
6. OECD-Mindeststeuer-Argument sticht nicht
Die Initiant:innen führen als neues Argument die Einführung der OECD-Mindeststeuer ins Feld und stellen die Anrechnung der Gewinnsteuer als mögliche Entlastungsmassnahme dar. Diese Argumentation sticht nicht. Die Kapitalsteuern werden bei der Berechnung der OECD-Mindeststeuer bereits berücksichtigt. Werden diese durch die Anrechnung der Gewinnsteuer reduziert oder fallen sie ganz weg, resultiert ein Nullsummenspiel: Die Minderbesteuerung würde durch die höhere OECD-Ergänzungssteuer automatisch neutralisiert.