
Die Wohnkrise in Zürich ist keine Frage des Mangels an Investitionen. Es wird gebaut wie noch nie – und trotzdem wird Wohnen für viele unbezahlbar. Denn gerade Neubauten ersetzen günstige Altbauwohnungen, der Mietspiegel steigt. Der Markt regelt nicht, er sortiert – sortiert Normalverdienende aus der Stadt heraus.
Zugleich erleben wir eine selektive Willkommenskultur: Wenn internationale Konzerne mit hochbezahltem Personal ihren Sitz nach Zürich verlegen, applaudieren bürgerliche Politiker*innen. Dass gerade diese Zuwanderung den Wohnungsmieten befeuert, verdrängt wird, wer weniger verdient, wird von der städtischen SVP gekonnt ausgeblendet. Kommen dagegen Menschen, um in schlecht bezahlten, aber essentiellen Jobs zu arbeiten, spricht sie von Masslosigkeit.
Mehr als bei der Zuwanderung liegt das Problem bei der Marktlogik. Denn der Wohnungsmarkt funktioniert genau so, wie er designt wurde. Weil sich Mieten an der Kaufkraft der Bestverdienenden orientieren, steigen sie für alle. Und wer Eigentum besitzt, kann kassieren. Dass das Mietrecht zwar eine Kostenmiete vorsieht, diese aber kaum einklagbar ist, ist kein Versehen, sondern eine Konstruktion, die genau diese Marktlogik absichert. Dass Landbesitz zu einer der profitabelsten Kapitalanlagen geworden ist, obwohl der Wertzuwachs meist durch staatliche Investitionen zustande kommt, ist ein skandalöser Zustand, den wir als normal hinnehmen.
Vielleicht wäre es ehrlicher, sich einzugestehen: Die Probleme sind strukturell.
Wir leben in einer Gesellschaft, die uns erzählt, dass Erfolg eine Folge des Fleisses sei. Dass die Realität anders aussieht, merken vor allem jene, die verdrängt werden. Die Freiheit wird hochgehalten, doch gemeint sind Privilegien des Eigentums. Selbstverantwortung wird als Lösung angepriesen, während die strukturellen Bedingungen, die unsere Möglichkeiten bestimmen, ignoriert werden. So entstehen Vereinzelung, Erschöpfung sowie das Gefühl, selbst schuld zu sein, wenn man nicht mithalten kann. Vielleicht sind es aber nicht wir, die scheitern – sondern die Erwartungen an die Verantwortung des Individuums.
Es braucht eine politische Haltung, welche die Realität anerkennt: dass Ressourcen begrenzt sind. Und dass der beschränkte Raum nicht aufgrund von Zahlungsfähigkeit, sondern Bedürfnis und demokratischer Aushandlung verteilt werden sollte.
Bis wir so weit sind, braucht Zürich aber auch pragmatische Schritte, um innerhalb des bürgerlichen Korsetts die Not zu lindern. Zum Beispiel mit verbindlichen Mietpreisvorgaben bei Um- und Einzonungen, mit der Unterbindung der Zweckentfremdung von Wohnraum zu möblierten Kurzzeitwohnungen, mit der Ablehnung staatlicher Beiträge zur Firmenansiedlung, mit der Einschränkung von Werbung, die Glück als käuflich anpreist – und mit politischer Konsequenz: Wer gegen Airbnb ist, sollte auch keine Millionen in Fernflug-Tourismuswerbung stecken, wie es die SP zuletzt tat.
Vielleicht beginnt dort eine andere Vorstellung von Stadt – eine, in der nicht das Kapital den Raum verteilt, sondern wir, die Bevölkerung.