
(Mehr Durchblick hinsichtlich der Herkunft der Bührle-Sammlung im Zürcher Kunsthaus / Bild: Claudio Schwarz via unsplash)
Zürcher Kunstgesellschaft und die Bührle-Stiftung müssen die Herkunft aller Bilder auf eigene Kosten klären. Der Zürcher Kantonsrat hat mit 87 zu 83 Stimmen das dringliche Postulat, das von der AL angestossen und zusammen mit SP und Grünen eingereicht wurde, mit einer vom Bericht des Regierungsrats abweichenden Stellungnahme abgeschrieben. In dieser abweichenden Stellungnahme – neben der AL auch unterstützt von SP, Grünen, EVP und GLP – fordert der Kantonsrat die Kunstgesellschaft und die Bührle-Stiftung auf, die Herkunft der 205 im Kunsthaus ausgestellten Bilder auf eigene Kosten durch ein internationales und unabhängiges Forschungsteam umfassend und lückenlos abklären zu lassen.
Der 2024 präsentierte Bericht des Zürcher Historikers Raphael Gross hat deutlich gemacht, dass die bisherige Forschung der Bührle-Stiftung fachlich ungenügend ist. Während die Bührle-Stiftung die Herkunft der Bilder als unbedenklich einstuft, kommen Raphael Gross und sein Team zu einem komplett anderen Ergebnis. Das Team konnte nachweisen, dass 133 der insgesamt 205 Werke, die im Erweiterungsbau des Kunsthauses als Dauerleihgabe ausgestellt sind, zu unterschiedlichen Zeiten jüdischen Vorbesitzer:innen gehörten. Der Waffenhändler Emil Bührle hat zwischen 1936 und 1956 insgesamt 600 Werke erworben. In einer Zeit also, in der das NS-Regime die jüdische Bevölkerung systematisch enteignete, vertrieb und vernichtete und Kunstraub an der Tagesordnung war, wie auch in einer Zeit, als Jüdinnen und Juden auf der Flucht waren und sich ausserhalb von Deutschland ein neues Leben aufbauen mussten.
Wie der Leiter des runden Tisches, Felix Uhlmann, an der Pressekonferenz vom 26. Juni 2024 ausführte, ist der Bericht von Raphael Gross ein Quantensprung in der Aufarbeitung der Hintergründe der Bührle-Sammlung. Raphael Gross und sein Team nahmen einen Perspektivenwechsel vor. Die Bührle-Stiftung stellte die Geschichte von Kunstwerken ins Zentrum ihrer Forschung, Juden und Jüdinnen kamen dabei nicht vor. Raphael Gross und sein Team stellten Personen und ihre Geschichte ins Zentrum der Provenienzforschung. Raphael Gross ging es dabei «sowohl um Opfer als auch um Profiteure und Täter des NS-Kunstraubs». Raphael Gross und sein Team gingen also der Frage nach, wem gehörte das Kunstwerk und welche Umstände führten dazu, dass das Werk seine Besitzer:innen wechseln musste.
Der Bericht von Raphael Gross liegt vor und ist öffentlich zugänglich. Sein Fazit ist klar: die Provenienzforschung müsse weiter vertieft, die Geschichte der Vorbesitzer:innen offen gelegt werden. Das Kunsthaus müsse ein eigenes Prüfschema ausarbeiten und eine international und interdisziplinär zusammengesetzte Kommission einsetzen. Weiter müsse auch die Namensgebung der Sammlung überprüft werden. Denn mit der Ausstellung der Werke in einem öffentlichen Museum werde der Name Bührle nobilitiert.
Es gibt kein Aussitzen und Schweigen mehr. Kunstgesellschaft und Bührle-Stiftung müssen, wie im Bericht von Raphael Gross empfohlen, endlich handeln und mit der Provenienzforschung vorwärts machen. Auf eigene Kosten. Und: eine Rückgabe an die Nachkommen darf nicht ausgeschlossen werden.