Liebe Bewohner*innen der Sugus-Häuser
Liebe Anwesende
Liebe Mitstreiter*innen
Manche Blitze treffen uns nicht auf offener Strasse, sondern in der Geborgenheit unserer eigenen Wohnung. Manche Blitze fallen nicht vom Himmel, sondern kommen direkt per Post. Manche Blitze erhellen nicht die Welt, sondern führen das eigene Leben in die dunkelste aller Ungewissheiten. Die Bewohnenden von drei der neun Sugus-Häusern wissen, wovon ich rede. Niemand von ihnen hätte noch vor ein paar Tagen voraussehen können, wie ein eingeschriebener Brief – ein simples Blatt Papier – die explosive Kraft von einem Schicksalsschlag erlangen würde. Sie verdienen unsere volle Solidarität.
Ich bin glücklich, dass ihr so zahlreich erschienen seid, um eure Unterstützung zu zeigen. Es ist wichtig, dass die Menschen, denen man ihr Dach über dem Kopf wegnehmen will, unsere Unterstützung spüren. Das Industriequartier ist immer ein kämpferisches Quartier gewesen. Vom Kampf gegen die Autobahn und das Viadukt bis zum Engagement für zahlbare Wohnungen auf dem Noigass-Areal haben sich die Menschen hier immer zu wehren gewusst. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Dass wir heute da sind, zeigt, dass unser Kampfgeist ungebrochen ist.
Der Fall der Familie Bachmann zeigt es exemplarisch: Privates Immobilieneigentum ist – unabhängig von der Bausubstanz – nie nachhaltig. Der Vater von Regina Bachmann war ein Bauherr mit einem starken sozialen Verantwortungsbewusstsein. Seine Tochter hat nicht nur diese Eigenschaft nicht geerbt. Für ihren Angriff auf die Sugus-Gemeinschaft hat sie sich auch einen mehr als fragwürdigen Partner geholt. Goran Zeindler, der Boss einer Firma mit dem obszönen Namen Allgood Property AG, der jetzt den ersten Gentrifizierungspflock im Sugus-Areal einschlagen soll, ist ein notorischer Konkurs-Ritter. Und er war bis vor kurzem Präsident der Cosmopolitan Apartments AG, die zweckentfremdete Wohnungen als Business-Apartments zu Höchstpreisen vermarktet.
Lösungen für die Wohnungskrise und für die Betroffenen in den Sugus-Häusern sind nicht schnell zu finden. Sicher ist allerdings, dass sich in der städtischen Politik einiges ändern muss. Die Zeiten, wo Stadtrat und Verwaltung den Hausbesitzer*innen geduldig, höflich und leise erklärt hat, wie man Sanierungen sozial verträglich gestalten kann, sind vorbei. Wir brauchen keine pädagogischen Ermahnungen im Hinterzimmer. Die Stadt braucht neue Werkzeuge und Waffen, damit sie der grassierende Renditegier auf dem Wohnungsmarkt entgegentreten kann. Die vom Mieterinnen- und Mieterverband eingereichte Wohnschutzinitiative, die nächstes Jahr zur Abstimmung kommt, gibt uns die Möglichkeit, solche zu schaffen.
Das Sugus-Areal hat eine spezielle Vorgeschichte. Ein Drittel davon gehörte der Stadt Zürich, bis sie 1926 von der SBB enteignet wurde. 1993 hat die SBB das Areal der Baugenossenschaft des Eidgenössischen Personals angeboten, die leider absagte. Eine verpasste Chance. Jetzt, wo ein Drittel des Sugus-Areals in den Strudel von Spekulation und Gentrifizierung geraten ist, wäre es an der Zeit, den ursprünglich städtischen Boden wieder nach Hause zu holen. Zusammen mit den Kolleg*innen der SP und der Grünen werden wir uns dafür einsetzen. Es ist Zeit, dass diese offene und bisher privatisierte Stadtwunde zugeht.
Der gelb markierte Landstreifen gehörte der Stadt, bis er 1926 von der SBB enteignet wurde.
Die Lösung der Wohnkrise liegt nicht allein in den Händen von Stadtrat, Verwaltung und Parlament. Wir brauchen eine breite Bewegung gegen diese permanent stattfindenden Katastrophen im Wohnbereich. Nicht nur im Sugus-Areal organisieren und vernetzen sich die Betroffenen. Leergekündigte Mieter*innen wehren sich auch im Brunaupark, im Heuried, an der Dennlerstrasse oder in Schwamendingen. Im Mai dieses Jahres gab es eine wahnsinnig grosse Wohndemo und für den 5. April ist schon die nächste geplant. Lasst also nicht zu, dass der heutige Tag als einmaliges Aufbäumen in die Geschichte eingeht. Über lange Zeit stand nicht ganz weit von hier der Spruch „Alles wird gut“. Und dieser stimmt: Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht zu Ende. Darum rufen wir mit voller Lautstärke:
So nöd, Frau Bachmann! So nöd, Herr Zeindler!
SUGUS BLEIBT!