Protestdemo von Senior:innen am 14. Juli 2021 vor dem Gemeinderat
«Am 4. Mai 2021 haben der Vorsteher des GUD und die Direktorin der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) mehreren tausend auf der Warteliste der SAW stehenden Wohnungsbewerber*innen die Mitteilung zugestellt, dass die Warteliste der SAW am 1. Oktober 2021 aufgehoben werde». Mit diesem Satz beginnt eine am 19. Mai 2021 eingereichte, von SP und Grünen mitunterzeichnete Interpellation der AL.
Das Schreiben der Stadt schlug ein wie eine Bombe. Betroffene protestierten vor dem Gemeinderat und organisierten sich in der Gruppe «So Nöd». Stadtrat Andreas Hauri reagierte rasch. Die Aufhebung der Warteliste wurde sistiert. Im Oktober 2021 wurde ein runder Tisch ins Leben gerufen, an dem die Crux der Vergabe von bezahlbaren Alterswohnungen bei einem viel zu kleinen Angebot besprochen wurde. Mit dabei war auch eine Vertreterin der Gruppe So Nöd. Härtegründe und das Datum der Anmeldung blieben wichtige Vermietungs-Faktoren.
Von Protestbeginn an war klar, dass Warteliste und Vermietungsprozess nur das Symptom einer Systemkrise sind. Das Problem war und ist das Angebot – und das seit Jahren inexistente «Gschpüri» des Stadtrats. Trotz massiver Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt stagniert die Zahl der SAW-Wohnungen seit Jahrzenten. Der städtische Wohnungsbau war auf junge Familien ausgerichtet. Nach der Rücknahme des Wartelisten-Entscheids kamen die protestierenden Senior:innen mit einer neuen Parole vor den Gemeinderat: «Jetzt fängt die Arbeit an, Herr Hauri» stand im Juli 2021 auf den Demo-Schildern.
Um der Forderung nach einer Bauoffensive Nachdruck zu verleihen, wurde am 6. Oktober 2021 die Initiative «Mehr Alterswohnungen für Zürich (Plus 2000)» lanciert. Ziel: Die Verdoppelung des Angebots von bisher 2000 auf 4000 Wohnungen im Jahr 2035. Nur mit diesem Ausbau kann den mit Abriss und tausendfachen Wohnungskündigungen konfrontierten älteren Menschen ein Ersatz angeboten werden. Bei Halbzeit der Sammelfrist wurden am 7. Januar 2022 7000 statt der notwendigen 3000 Unterschriften eingereicht – auch dank tatkräftiger Mithilfe der AL.
Dann geschah, was auch die Optimistischsten nicht erwartet hatten. Obwohl die Initiative die Latte hoch legt (plus 2000 in 10 Jahren), empfahl der Stadtrat die Initiative zur Annahme. Mit dazu beigetragen hat die Forderung, dass neben den Alterswohnungen der SAW und der Stadt auch die anderer gemeinnütziger Bauträger eingerechnet und Kooperationen gesucht werden sollen.
Der Gemeinderat folgte dem Stadtrat – einstimmig. Die Voraussetzungen für ein Revival des Baus bezahlbarer Alterswohnungen und einen Aufschwung des generationendurchmischten Wohnens stehen gut. Das im März 2024 vorgestellte Projekt der Siedlung Felsenrain in Seebach ist ein Beispiel dafür. Neben bezahlbaren Alterswohnungen entstehen dort auch bezahlbare Wohnungen der städtischen Stiftung für kinderreiche Familien.
Es besteht also Hoffnung, dass die Stadt älteren Menschen mit kleinen Renten nach einer Kündigung ihrer Wohnung ein Angebot für eine passende Ersatzwohnung machen kann. Der einzige Wermutstropfen: Private Investoren sind zwar auch eingeladen, ihren Beitrag zu leisten. Die Bereitschaft dieser Gruppe, neben teuren Seniorenresidenzen auch Kooperationen mit der städtischen Stiftung Alterswohnungen einzugehen, ist im Moment noch (sehr) klein.