Am 9. Juni werden wir über zwei Gesundheitsinitiativen abstimmen, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Die SP-Prämienentlastungsinitiative und die Mitte-Kostenbremsinitiative. Zu beiden Initiativen erarbeitete das Parlament jeweils einen indirekten Gegenvorschlag, der bei Ablehnung der Initiative automatisch in Kraft tritt.
Die SP-Initiative verlangt: «Versicherte haben Anspruch auf eine Verbilligung der Krankenversicherungsprämien. Die von den Versicherten zu übernehmenden Prämien betragen höchstens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens. Die Prämienverbilligung wird zu mindestens zwei Dritteln durch den Bund und im verbleibenden Betrag durch die Kantone finanziert.»
Die Schweiz ist das einzige OECD-Land, in dem die Kosten der obligatorischen Gesundheitsversorgung von allen Versicherten zu gleichen Teilen bezahlt werden muss, Stichwort: «Kopfprämien». Diese unsoziale Finanzierung, zusammen mit den einmalig hohen Selbstbeteiligungen führt dazu, dass in der Schweiz nur rund 30 % der Gesundheitskosten vom Staat mittels progressiver Steuern finanziert wird, in den EU-Ländern sind es durchschnittlich 80 %.
Immer mehr Haushalte können darum die Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen und sind auf individuelle Prämienverbilligung (IPV) angewiesen, welche mit progressiven Steuern finanziert werden. Der Bund zahlt an die IPV 7,5 % des jährlichen Prämientotals, die Kantone sollten noch einmal so viel beitragen, haben dies aber noch nie getan. Deshalb kosten die Prämien für ärmere Haushalt heute weit über 10 % des Haushaltgeldes.
Die Mitte-Initiative verlangt: «Liegt die Steigerung der durchschnittlichen Kosten je versicherte Person und Jahr in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwei Jahre nach Annahme von Artikel 117 (Absätze 3 und 4) durch Volk und Stände mehr als ein Fünftel über der Entwicklung der Nominallöhne und haben die Krankenversicherer und die Leistungserbringer (Tarifpartner) bis zu diesem Zeitpunkt keine verbindlichen Massnahmen zur Kostendämpfung festgelegt, so ergreift der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen Massnahmen zur Kostensenkung, die ab dem nachfolgenden Jahr wirksam werden».
Die Mitte will also die Prämienlast durch Kostensenkung vermindern, wie sie auf ihrer Homepage vollmundig verkündigt. Aber:
Haben wir denn überhaupt eine «Kostenexplosion»?
Nein! Die Länder der OECD einigte sich darauf, die Gesundheitskosten untereinander im Verhältnis zum Brutto-Inland-Produkt (BIP) zu vergleichen. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) lag die Schweiz 2021 ziemlich genau in der Mitte von 13 verglichenen Ländern. In den letzten 25 Jahren stieg dieser Wert in der Schweiz von 8,6 um 3,2 Prozentpunkte oder 37 % auf 11,8 (BFS). Diese 37 % Kostensteigerung in 25 Jahren entspricht einer Kostensteigerung von ganzen 1,5 % pro Jahr.
Senkten die bisherigen Sparmassnahmen die Gesundheitskosten?
Nein! Die obligatorische Franchise, die in den letzten 50 Jahren schrittweise von 50 auf 300 Franken erhöht wurde mit der Absicht, Leute vom Arztbesuch abzuhalten und damit die Kosten zu senken – ohne Erfolg. Auch die Einführung der Fallkostenpauschalen 2012 wurde mit der Absicht propagiert, Kosten zu sparen. Das Resultat: warme Luft und konkursite Spitäler! Jetzt sollen es die Rationierung von Leistungen bringen. Rationierung heisst Vorenthalten medizinisch indizierter Leistungen aus Spargründen – das schadet aber immer nur den Grundversicherten ohne finanzielle Reserven! Typisch bürgerlich!
Schlussfolgerung: Beide Gesundheitsinitiativen, über die wir am 9. Juni abstimmen, sind Umverteilungsinitiativen, aber die SP verteilt Geld von oben nach unten (Empfehlung: «Jaaa») und die Mitte von unten nach oben (Empfehlung: «Nein»). Die indirekten Gegenvorschläge – über die wir nicht abstimmen können – sind stark abgespeckte Kompromisse, die sehr kompliziert formuliert sind und ausser administrativem Aufwand kaum etwas bringen.
Post scriptum: Selbstverständlich sind auch wir von der AL der Meinung, dass die Prämiengelder möglichst effizient eingesetzt werden. Dafür gäbe es aber nur schon bei der Pharmapolitik und den Krankenkassen ein immenses Sparpotential. Am Effizientesten für die Gesundheitskosten wäre jedoch eine ökonomische Umverteilung, denn: Wenn du ärmer bist, wirst du öfters krank, kostest mehr und stirbst erst noch erheblich früher.