(Bild: Stadtspital Zürich)
Der Abschluss der Sachkommission des Gesundheits- und Umweltdepartements des Berichts zur Auslegeordnung von verschiedenen Rechtsformen für das Stadtspital Zürich wurde von der AL lange herbeigesehnt. Mit Freude stellt sie fest, dass eine parlamentarische Mehrheit den Bericht ablehnend zur Kenntnis nimmt und, was noch wichtiger ist, den dritten Dispositivpunkt, welcher das Startsignal für die Umwandlung des Spitals in eine öffentlich-rechtliche Anstalt bedeutet hätte, nicht gutheisst. Damit durchkreuzt das Parlament die Auslagerungspläne des Stadtrats in unmissverständlicher Weise und ermöglicht eine Fokussierung auf bestehende gesundheitspolitische Herausforderungen.
In der Politik finden manche Zäsuren leise und fast unbemerkt statt. Nur die direkt beteiligten Politakteur*innen – und aufmerksame Geister – nehmen in solchen Momenten jene unscheinbaren Richtungsanpassungen wahr, welche die ganze Polit-Karawane am Schluss doch zu einem neuen Ziel lenken. Letze Woche fand eine solche gesundheitspolitische Zäsur in unserer Stadt statt. So schloss die Sachkommission des Gesundheits- und Umweltdepartements einen Bericht mit einem zwar komplizierten Namen[1], aber mit einem nicht minder knackigen Inhalt ab. Sie tat das, wie das üblich ist, fern vom grossen Medienrummel. Die von den Parlamentarier*innen getroffene Entscheidung wird jedoch die bisherige städtische Gesundheitsversorgung radikal umpflügen.
Vom Zögern und Zaudern zum Pokern
Die Sprengkraft des Berichts liegt darin begründet, dass der Stadtrat nach vielen Jahren des Zögerns und Zauderns auf 38 Seiten zum ersten Mal gegenüber dem Gemeinderat explizit die Gründe darlegt, weshalb er sich des Stadtspitals mittels Auslagerung politisch entledigen will. Für Politconaisseur*innen ist diese Botschaft nichts Neues. Seit Jahren verkündet der Stadtrat, dass er das Stadtspital aus strategischen Gründen auslagern will. Bisher hatte er sich jedoch davor gescheut, seine neoliberalen Fantasien derart unbenommen zu kommunizieren. Denn der erwähnte Bericht vermag zu keinem Zeitpunkt seinen Werbecharakter zu verstecken. Mehr noch: Das hohe liberale Lied der bösen (verpolitisierten) Verwaltung wird praktisch in jeder Zeile angestimmt.
Die wichtigsten Minenfelder wurden darin mit exekutiver Eleganz umschifft, zum Beispiel die heisse Kartoffel der Finanzierung der Stadtspitalauslagerung. Und das obschon sämtliche Expert*innen davon ausgehen, dass für die Durchführung dieses Ziels rund eine halbe Milliarde – in Zahlen: 500’000’000 – Franken in die Hand genommen werden müssten. Dieses Schweigen passt gut zum Pokereinsatz am Schluss des Berichts, wo der Gemeinderat dazu eingeladen wurde, (endlich) zur Kenntnis zu nehmen, dass der Stadtrat „eine Vorlage zur Ausgliederung des Stadtspitals Zürich in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ausarbeitet“.
Vom Zögern und Zaudern zur Ablehnung
Dabei wäre das Ziel dieses Berichts ein anderes gewesen: SP, Grüne und EVP wollten vom Stadtrat eine Gegenüberstellung der verschiedenen möglichen Rechtsformen für das Stadtspital erhalten. Die zögernden und zaudernden Fraktionen versprachen sich aus diesem Auftrag eine solide Grundlage, mit welcher sie im Fall der Fälle sich (und ihren Wähler*innen) die „Spitalliberalisierung“ hätten schönreden können. Aber siehe da: Anstatt der erhofften sauber hergeleiteten Excel-Tabellen zu den verschiedenen Entscheidungsoptionen erhielten sie eine Liberalisierungsphillika.
Die AL, welche diesem naiven politischen Vorgehen von Beginn an kritisch gegenüberstand, begleitete die über siebenmonatigen Berichtberatung in der Kommission und war erleichtert, als sie vernahm, dass SP und Grüne nach der Beantwortung ihrer mehreren hundert Fragen, den Bericht und damit auch die Spitalauslagerung an der besagten Kommissionssitzung ablehnen würden.
Vom einsamen Warten bis andere nachziehen
Der Meinungsumschwung dieser Fraktionen und ihre definitive Abkehr von der Spitalauslagerung stellt für uns einen grossen politischen Sieg dar! Nachdem wir über Jahre hinweg die einzige Gemeinderatsfraktion waren, die sich nicht von den stadträtlichen Sirenenrufe anlocken liess, sind wir erleichtert und stolz, dass wir zwar leise und fast unbemerkt diese Zäsur einleiten konnten, um der „Spitalliberalisierung“, diesem stadträtlichen neoliberalen Albtraum, ein definitives Ende setzen zu können.
Dieser Text erschien als Kolumne “Meh Biss!” im p.s. Nr. 10 / 15. März 24, S.10.
[1] „Bericht zu dringlichem Postulat betreffend grösseren unternehmerischen Handlungsspielraum für das Stadtspital unter angemessener demokratischer Mitbestimmung und Steuerung durch den Gemeinderat mit einer Gegenüberstellung von Varianten und den jeweiligen Vor- und Nachteilen“