Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ist Zürich von einer Stadt am Fluss zu einer Stadt am See geworden. Die grosszügigen Aufschüttungen und neuen Quai-Anlagen, gebaut von 1881 bis 1887, haben massgeblich dazu beigetragen. Diese Entwicklung war aber nicht selbstverständlich. Denn 1871 hat die Nordostbahn, unter der Führung von Alfred Escher, Pläne für eine Eisenbahnlinie vom Bahnhof Stadelhofen zum Bahnhof Enge vorgestellt. Die Pläne wurden bekannt als «Eiserner Ring», der die Stadt in die Klemme nehmen und sie vom See abtrennen würde. Sie haben 1873 heftige Proteste ausgelöst, die selbst der mächtigen Nordostbahn Eindruck machten. Der Plan wurde schliesslich abgeändert, so dass die Bahnlinie des rechten Seeufers mittels eines Tunnels zum Letten und anschliessendem Kehrviadukt an den Hauptbahnhof angeschlossen wurde.
Hundert Jahre später aber ist die Idee des Eisernen Rings doch realisiert worden: Nicht mit einem grossen Bauprojekt, sondern schleichend, über Jahrzehnte, mit der sich ausdehnenden Automobilität. Heute ist die Stadt nicht durch eine eingleisige Bahnanlage, über die alle paar Stunden ein Zug fährt, vom See abgetrennt, sondern durch eine vierspurige Strasse mit zu Spitzenzeiten über tausend Fahrzeugen pro Stunde. Die damaligen Pläne des Eisernen Rings, die so heftige Proteste ausgelöst haben, sind im Vergleich zum heutigen Strassen-Gürtel die totale Idylle.
150 Jahre nach den Protesten von 1873 ist es an der Zeit, dass wir erneut gegen den nun bestehenden Eisernen Ring protestieren. Die vorliegende Volksinitiative ist eine der Möglichkeiten, diesen Protest auszudrücken. Die Alternativen Liste empfiehlt sie darum zur Annahme. Wir fordern die städtische und kantonale Regierungen auf, die städtebaulichen Aspekte nicht länger den verkehrstechnischen unterzuordnen.
Der eklatante Mangel an grünen Freiräumen in Zürich soll durch die Schaffung von neuen und den Ausbau der bestehenden Flächen angegangen werden, auch auf Kosten der Flächen, welche momentan dem Automobilverkehr vorbehalten sind.
Der Stadtrat hat zur Initiative eine Umsetzungsvorlage ausgearbeitet, welche eine ökologisch und monetär teure Tunnellösung vorsieht, und die er selbst ablehnte. Dies, obwohl die AL-Fraktion im Gemeinderat erfolgreich ein Postulat überwiesen hatte, welche eine andere Lösung gefordert hatte. Diese Lösung sei die einzige Möglichkeit, die Kapazität des motorisierten Verkehrs aufrecht zu erhalten. Wenn die Volksinitiative angenommen wird, so fordern wir den Stadtrat auf, die nächste Umsetzungsvorlage mit einer Lösung, welche eine markante Reduktion des Autoverkehrs auf dieser bestens mit Zug und Bus erschlossenen Strecke mit sich bringt, zu planen, ohne dass der Automobilverkehr ins Quartier verlagert wird, und ohne dass ein Tunnel gebaut wird.
Die Initiative mag vielleicht manchen als utopisch oder unrealistisch erscheinen. Im Vergleich zur Schaffung der Quai-Anlagen der 1880, welcher Zürich seine heutige Ausrichtung zum See hin verdankt, erscheint die aktuelle Initiative aber sehr erfüllbar – sofern der Wille des Stadtrats und der kantonalen Behörden da ist, eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen der Beibehaltung der Privilegien des Automobilverkehrs einerseits und der Schaffung von dringend benötigten weiteren Frei- und Grünräumen andererseits. Die städtischen Seeanlage sind nämlich nicht nur bei der städtischen Bevölkerung beliebt, sondern gerade auch in den bürgerlich dominierten Gemeinden am Seeufer entlang. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, die bürgerliche Mehrheit mit ihrem Automobil-Fetischismus vorzuführen, und aufzuzeigen, welche städtebaulichen Projekte den Fokus auf die Beibehaltung der Auto-Kapazität verhindert.