Gemäss WHO ist Gesundheit ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit. Ein solches Verständnis müsste eigentlich zu einer ganzheitlichen Symptombetrachtung und zur engen Zusammenarbeit der zuständigen Disziplinen führen. Leider sieht die Realität in der Schweiz anders aus. In unserem Land ist eine sinnvolle Kooperation zwischen den verschiedenen Fachpersonen schwierig bis unmöglich. Das liegt weniger am Willen der Beteiligten als vielmehr am Umstand, dass sich das Finanzierungssystem stark auf körperliche Behandlungen und weniger auf psychotherapeutische oder sozialarbeiterische Lösungsansätze, die wirksamer und sogar wirtschaftlicher wären, konzentriert. Daher werden Ärztinnen und Ärzte zwar für die Verordnung von Medikamenten bezahlt; für die ganzheitliche Lösung von Gesundheitsproblemen will dann aber niemand aufkommen.
Mit der Einführung des Anordnungsmodells für Psychologinnen und Psychologen wurden erste Schritte zur Lösung dieses Problems umgesetzt. Das Potenzial der medizinischen Sozialarbeit wird jedoch immer noch arg unterschätzt. Folglich sind Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Gesundheitswesen bei uns nach wie vor dünn gesät. Hingegen sind sie zum Beispiel in Grossbritannien feste Mitglieder der Behandlungsteams, wo sie vernetzende Aufgaben für die und mit den Patient:innen erledigen. Seit Jahren können hier die Ärztinnen und Ärzte also nicht nur Medikamenten-, sondern auch «soziale Rezepte» ausstellen.
Die AL reichte bereits 2020 eine Motion ein, welche die Durchführung eines Pilotprojekts zur Einführung von sozialen Rezepten in den städtischen Gesundheitsinstitutionen verlangte. Trotz der Überweisung durch den Gemeinderat konnte Stadtrat Andreas Hauri (GLP) seine ursprünglichen Bedenken gegenüber dem Vorstoss nicht ablegen und so präsentierte er vor einigen Monaten einen Umsetzungsvorschlag, der nur als «Versuch mit angezogener Handbremse» bezeich- net werden kann. Oder wie würden Sie ein Projekt bestehend aus einer Person, die sich in einem Teilzeitpensum für alle sozialen Rezepte aller ambulanten Patient:innen der Stadtspitäler kümmern soll, nennen?
Darum nahm die AL am Mittwoch das Heft erneut in die Hand. Wir stimmten der Schaffung der stadträtlich vorgeschlagenen Stelle zu, gaben jedoch dank einer grossen parlamentarischen Unterstützung Andreas Hauri erneut sechs Monate Zeit, um diesen mickrigen Umsetzungsversuch nachzubessern. Die Stadt- bewohner.innen wollen nämlich nach wie vor medizinisch ganzheitlich und finan- ziell effizient versorgt werden. Das Pilotprojekt muss daher seriös geplant und mit genügenden Mitteln durchgeführt werden.