(Bild: Pascal Meier / Unsplash)
Regierungsrat Mario Fehr hat sich in den vergangenen Tagen als Sicherheitsdirektor dahingehend geäussert, dass die Stadt Zürich keine Palästina-Demos mehr bewilligen sollte. Dieses Statement des Sicherheitsdirektors ist aus mehreren Gründen äusserst fragwürdig.
Die bisherigen Palästina-Demonstrationen verliefen allesamt geordnet und es kam zu keinen nennenswerten, sicherheitsrelevanten Vorfällen. Wenn es auf Demonstrationen zu antisemitischen Äusserungen kommt oder zu solchen, die Israel das Existenzrecht absprechen, ist dies klar zu verurteilen und auch zu ahnden. Solche Slogans haben nirgendwo etwas verloren, auch nicht auf Demonstrationen. Sie sind nicht tolerierbar.
Anders verhält es sich mit dem Grundrecht auf Meinungsäusserungs- und Demonstrationsfreiheit. Eine Demokratie, wie wir sie glücklicherweise hier in der Schweiz haben, muss Meinungsäusserungen und Demonstrationen grundsätzlich von allen politischen Seiten tragen können, solange sie im Bereich des Legalen agieren. Wir müssen diesbezüglich die höchstmögliche Toleranzschwelle haben, denn Demonstrationsverbote sind ein zentrales Merkmal von Unrechtsstaaten und Diktaturen. So haben beispielsweise auch die christlich-fundamentalistischen Pro-Life-Demonstrationen oder die Corona-Demonstrationen ihre Daseinsberechtigung, obwohl sie nicht unser aller Meinung entsprechen.
Zudem kam es auf den Friedens- und Palästinademonstrationen bisher auch zu keinen erwähnenswerten Sicherheitsproblemen oder Gewaltausbrüchen, die solch ein Verbot rechtfertigen würden. Auch das Argument des Sicherheitsdirektors, dass es auf Demonstrationen in Deutschland zu antisemitischen Gewaltausbrüchen kam, zieht nicht. Deutschland ist nicht die Schweiz und die Situation nicht so einfach vergleichbar.
Es ist daher sehr fragwürdig, wie der Sicherheitsdirektor in aller Öffentlichkeit Einzelentscheide des Zürcher Stadtrats kommentiert: er bezeichnete den Entscheid der Stadt Zürich, die Palästina-Demo vom vergangenen Samstag zu bewilligen, in der Presse als «fahrlässig». Dabei missachtete er offensichtlich, dass die Stadt Zürich ihre Einschätzungen betreffend Gefährdung auf den Grundlagen der gleichen Nachrichtendienste wie die Kantonspolizei vornimmt. Wir betrachten eine solche Kommentierung von konkreten städtischen Entscheiden durch den Regierungspräsidenten als anmassend.
Zudem ist der Eindruck einer allzu einseitigen Parteinahme nicht von der Hand zu weisen. Dieser Eindruck entsteht durch den Umstand, dass der Regierungspräsident an jüdisch-israelischen Gedenkkundgebungen als Sprecher auftritt und gleichzeitig der Palästina-stämmigen Bevölkerung das Recht auf Kundgebungen verweigern möchte. Um es klar zu sagen: Wir teilen das Engagement gegen Antisemitismus und Judenhass und tragen es ohne Wenn und Aber mit. Und auch wir bezeugen unser Mitgefühl für die Opfer des brutalen Hamas-Terrors. Dadurch lässt sich in einer demokratischen Gesellschaft wie der unsrigen jedoch kein Maulkorb für die Palästina-stämmige Bevölkerung legitimieren.
Wenn nun der Sicherheitsdirektor ein Verbot von Palästina-Demonstrationen fordert, rüttelt er am Fundament unserer Demokratie. Wir fordern ihn dazu auf, sich auf die demokratischen Werte und die Grundrechte zu besinnen und als Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor von solchen einseitigen Forderungen abzusehen. Ebenfalls fordern wir ihn dazu auf, die Entscheidungskompetenz der Gemeinden, insbesondere der Stadt Zürich, besser zu respektieren.