Die Krankenkassenprämien steigen viel rascher als die Gesundheitskosten. Rund jede*r dritte Prämienzahler*in muss mit individuellen Prämienverbilligungen (IPV) unterstützt werden, sonst würden die Ärmeren sich nicht mehr versichern können, wie in den USA. Die IPV sind zwar administrativ und finanziell äusserst aufwändig, aber dennoch nicht nur überlebensnotwendig, sondern aus linker Sicht auch begrüssenswert, da sie über einkommensabhängig-progressive Steuern finanziert werden, im Gegensatz zu den Kopfprämien. Dies passt den bürgerlichen Gesundheitspolitikern natürlich gar nicht, da sie mehr Steuern bezahlen als die Armen.
Vor allem aus diesem egoistischen Grund kritisieren die Rechten nicht die ungerechte Finanzierung sondern beten seit 20 Jahren das Mantra von der Kostensteigerung, die man dämpfen muss. Wie hoch sind denn diese Kosten überhaupt und wie misst und vergleicht man dies? Internationale Organisationen (WHO, EU, OECD etc.) einigten sich auf den Vergleich mit dem Bruttoinlandprodukt (BIP). Hier liegt die Schweiz an sechster von dreizehn OECD-Ländern mit rund 12%. Die Schweizer Gesundheitskosten stiegen in den vergangenen 20 Jahren um nur zwei Prozentpunkte oder 20% von 10 auf 12%. Obwohl die Kosten im Verhältnis zum BIP nur wenig steigen, fordern insbesondere bürgerliche Gesundheitspolitiker*innen seit zwanzig Jahren Sparübungen, die sich rückblickend allesamt als unwirksam erwiesen wie der Tarmed (der Krankenkassentarif für ambulante Leistungen) von 2005 oder die Spitalfinanzierungen 2012 mit den leidigen Fallpauschalen (DRG).
Trotz dieser mageren Bilanz lancierte die CVP (heute Mitte) vor 5 Jahren die Volksinitiative «Massnahmen zur Kostendämpfung». Sie fordert, dass medizinische Leistungen, die jemand als nicht «…wirksam, zweckmässig oder wirtschaftlich…» (KVG Art. 56) deklariert, von den Krankenkassen nicht mehr rückvergütet werden. Das ist Rationierung pur. Das bedeutet, dass medizinische Handlungen – auch wenn sie wirksam und zweckmässig sind – aus rein wirtschaftlichen Gründen von den Krankenkassen nicht mehr vergütet werden. Selbstverständlich sind davon nur die Armen betroffen, denn die Reichen können sich ja all das auch selber kaufen. Der Mehrheit der Parlamentarier*innen war sonnenklar, dass dieser Vorstoss in einer Volksabstimmung keine Chance hätte. In einem parlamentarischen Trauerspiel wurde an einem Gegenvorschlag herumgebastelt, der unter dem Strich voraussehbar kaum Kosten dämpfen könnte. Vor vier Jahren lancierte auch die SP eine Volksinitiative zur Prämienentlastung, die verlangt, dass die Prämien künftig 10% des Haushaltseinkommen nicht übersteigen dürfen. Dies funktioniert nur über die IPV, für die der Bund fix 7,5% der Jahreskosten der obligatorischen Krankenversicherung zahlt. Die Kantone müssten eigentlich gleich viel hinzufügen, tun dies aber nicht. Die Initiative würde sie dazu zwingen. Deshalb zerzausten die bürgerlichen Kantonsvertreter*innen im Ständerat die Forderungen der Initiative und brachten einem Gegenvorschlag, mit dem sie nur einen Bruchteil dieser Summe bezahlen müssten, was entsprechend auch nur eine minime Entlastung für die Prämienzahler*innen darstellen würde. Da sowohl die Mitte wie die SP ihre Initiativen nicht zurückziehen wollen, werden sie samt ihren Gegenvorschlägen im kommenden Jahr zur Abstimmung kommen: ein Mal «Ja» und drei Mal «Nein».