Wenn vom Geld der Wirtschaft in der Politik die Rede ist, denken alle immer sofort an economiesuisse. Doch der heimliche Leader, der das Räderwerk der bürgerlichen Parteien schmiert, ist der Schweizerische Gewerbeverband. Neben seinem Beitrag von 539’000.- an die «Geld- und Gülle»-Allianz für die Kampagne «Perspektive Schweiz» investiert der Dachverband 395’000.- für die logistische Unterstützung (Plakate, Inserate, social media) von 19 Kandidat:innen. Ein Support, der allerdings von verschiedenen Kandidierenden nicht ausgewiesen wird, obwohl er 15’000.- pro Kopf übersteigt… Alles in allem sind das knapp 1 Million Franken. Daneben findet man im Kampagnen-Register der EFK auch vereinzelte kantonale Gewerbeverbände. So deklarieren der Kantonale Gewerbeverband St. Gallen eine Werbekampagne im Umfang von 185’000.- und der Thurgauer Gewerbeverband eine für 70’000.-.
Gewerbeverband Kanton Zürich: Ein hochpolitischer Verband
Auch der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich (KGV), wie er sich seit einiger Zeit nennt, ist dafür bekannt, dass er – ähnlich wie der Zürcher Hauseigentümerverband – hochpolitisch unterwegs ist, deutlich stärker als Bruderverbände in anderen Kantonen. In den letzten vier Jahren hat er laut Geschäftsbericht pro Jahr rund 700’000 Franken für «politische Interessenvertretung» ausgegeben:
Jahr | Betrag | Budgetanteil |
2019 | 725 065 | 41% |
2020 | 712 332 | 42% |
2021 | 688 988 | 43% |
2022 | 662 624 | 38% |
Total | 2 789 009 | |
Durchschnitt 2019 – 2022 | 697 252 |
Diese Finanzkeule haben auch wir im September 2022 bei der hauchdünn verlorenen Abstimmung über die AL-Initiative «Keine Steuergeschenke für Grossaktionärinnen und Grossaktionäre» schmerzhaft zu spüren bekommen, bei welcher der KGV als einer der Hauptzahlmeister im Hintergrund agierte.
Aufwendige Wahlkampagne…
Auch bei den Nationalratswahlen ist der KGV mit von der Partie. Für sechs seiner Spitzenleute – Nicole Barandun (Mitte), Anita Borer (SVP), Susanne Brunner (SVP), Martin Farner (FDP), Rene Schweizer (SVP) und Bruno Walliser (SVP) – und weitere KMU-Kandidat:innen führt er eine unübersehbare Kampagne auf seiner Verbandswebseite und auf der speziellen Wahl-Webseite www.unternehmerwaehlen.ch, mit Vorlagen und Visuals für Inserate, Flyer, social media und umfangreicher Werbung für Posts und Videos auf Facebook und Instagram. Laut der Analyse-Webseite www.politransparency.ch hat er bis zum 24. September 2023 – vier Wochen vor den Wahlen – bereits für 144 Anzeigen 29’000 Franken social-media-Werbung geschaltet:
…aber nix Offenlegung und Transparenz!
Ab 50’000 Franken sind Kampagnen für die Nationalratswahlen meldepflichtig. Bei der aktuellen Kadenz werden bis zum 22. Oktober allein die Kosten für die Werbeschaltungen die 50’000er-Grenze überschreiten. Nicht zu reden von den Agenturkosten für Grafik, Videos und Werbetools. Eine Offenlegung und Meldung an die Eidgenössische Finanzkontrolle für die Publikation auf der Webseite https://politikfinanzierung.efk.admin.ch/app/de/campaign-financings sucht man allerdings vergebens. Da ist nichts. Gar nix. Nada. Die Frist für Meldungen ist am 6. September, also vor fast einem Monat, abgelaufen.
Herr Scherrer, Frau Barandun: Werden Sie aktiv!
Der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich wird von Werner Scherrer, Alt Kantonsrat FDP, präsidiert, Vizepräsidentin ist Nicole Barandun, Juristin und Co-Präsidentin von Die Mitte Kanton Zürich. Politprofis also. Da kann man nicht sagen, dass politische Lai:innen am Werk sind. Die AL erwartet, dass die beiden jetzt dafür sorgen, dass subitissimo eine Nachmeldung bei der EFK erfolgt.
EFK kann vor Ort kontrollieren
Gemäss Art. 12 der Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung (VPofi) kann die EFK auch materielle Kontrollen vornehmen und dabei prüfen, «ob die politischen Akteurinnen und Akteure alle gesetzlich geforderten Angaben und Dokumente gemeldet haben». Laut Abs. 3 können die Kontrollen auch «vor Ort stattfinden». Im Erläuternden Bericht des Bundesamts für Justiz zur VPofi heisst es unmissverständlich:
«Eine solche Kontrolle führt die EFK insbesondere dann durch, wenn sie aufgrund konkreter Umstände annimmt, dass die Kampagnenführenden den Betrag von 50 000 Franken möglicherweise überschritten haben.»
Nicht zu vergessen: Art. 76j des Gesetzes über die politischen Rechte (BPR) sieht bei vorsätzlicher Verletzung der Offenlegungspflicht Bussen bis zu 40’000 Franken vor…