Ich verlasse den Gemeinderat so überraschend wie ich ihm im Juni 2016 beigetreten bin. Nicht unbedingt auf leisen Pfoten, aber bestimmt ohne Nebengeräusche: Keine nachträgliche Kritik oder keine gutgemeinten Empfehlungen von meiner Seite.
Ich hatte damals nicht damit gerechnet, mit 55 Jahren eine parlamentarische Laufbahn einzuschlagen und noch weniger, diesem Rat einmal als Präsident vorstehen zu dürfen. Als meine überraschend im Kreis 7+8 für die AL gewählte Vorgängerin Corine Schäfli sich nach zwei Jahren schon wieder aus dem Rat verabschieden wollte, habe ich mir lange überlegt, ob der Gemeinderat das Richtige für mich sein könnte. Mein Berufsleben im Film füllte mich eigentlich schon genügend aus, ist meine Tätigkeit doch ständig ein eigentlicher Übergang von Beruf und Hobby. Doch das Gemeinderatsmandat reizte mich und stellte die Möglichkeit einer Art Weiterbildung dar, in einem Bereich – die direkte Demokratie und unser Gemeinwesen – welchen ich als seit langem politisch aktiver Mensch zwar kannte, aber bei Weitem nicht in seiner detailreichen Ausgestaltung. Dieses «Schulungskürsli» habe ich nun absolviert und zwar in höchster Dosis.
Der Einstieg in die GPK war meine erste harte Probe, aber auch ein weitläufiges Anschauungsfeld über die ganze Stadtverwaltung. Dass der Gemeinderat die Oberaufsicht ausübt, ist vielen in diesem Saal vielleicht gar nicht so bewusst. Mir hat sich die Notwendigkeit der Kontrolltätigkeit vor allem in der PUK ERZ eröffnet, wo wir den Gründen für die festgestellten Verfehlungen auf allen Ebenen während Monaten nachgingen.
Das darauffolgende Ratspräsidium war zwar mit viel Ehre verbunden, aber in Corona-Zeiten vielleicht nicht ganz so spannend an Begegnungen, wie es mir versprochen worden war. Es fiel allerdings zusammen mit den Revisionen der Gemeindeordnung und der Geschäftsordnung, zwei weitere Felder, die es erlaubten, ganz tief in die Mechanik unserer «Verfassung» einzutauchen.
Für die spannende, bereichernde Zusammenarbeit mit Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich bedanken. Bedanken möchte ich mich bei den Parlamentsdiensten, ohne die unser Milizparlament überhaupt nicht funktionieren könnte. Ein grosser Dank geht natürlich an meine Fraktion, die mich stets unterstützt hat und in welcher die Diskussionen – wie könnte es anders sein in der AL – passioniert und manchmal wenig zimperlich geführt, die Entscheide aber letztlich immer solidarisch getragen werden.
Wenn man etwas zurücklässt, entsteht Platz für Neues: Mein Rücktritt hat vor allem persönliche Gründe: Meine beiden Enkel, die viereinhalb und anderthalbjährig sind, brauchen ihren Grossvater jetzt wohl am meisten, wo sie noch klein sind. Meine Arbeit im Filmverleih wird mich in den letzten Jahren bis zur Pensionierung noch einmal voll ausfüllen. Meine 35-jährige Berufserfahrung in der Filmbranche kommt einem kleinen Team zugute, dass sich gerade in den letzten Jahren verjüngt hat.
Und Platz brauche ich schliesslich auch für meine politischen Aktivitäten, die ich selbstverständlich im Interesse der Mieterinnen und Mieter und meines Quartiers weiterführen werde. Beim Wohnen drückt in Zürich der Schuh, dass wissen wir alle hier im Saal, auch wenn die vorgeschlagenen Lösungen des Problems unterschiedlicher nicht sein könnten. Es war ernüchternd für mich, festzustellen, dass wir uns z.B. dem Drittelziel beim gemeinnützigen Wohnraum nicht nähern, sondern davon entfernen, dass der Stadtrat sich bei Kämpfen gegen Leerkündigungen leider regelmässig auf die Seite des Stärkeren schlägt und die Argumente der Liegenschaftenbesitzer übernimmt, dass er bei der Eindämmung von Zweitwohnungen auf der Bremse steht… Ich sollte es eigentlich wissen, nach meiner Erfahrung im Frankreich von François Mitterrand der 1980er und 1990er-Jahre: Es reicht nicht, eine linke Regierung zu wählen, um die Gesellschaft umzustülpen. Ohne Aktionen, Forderungen, Kämpfe an der Basis geschieht wenig.
Deshalb werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Stadt nicht zu einer «Insel der Glückseligen» wird, einer Stadt, welche diejenigen verdrängt, die sich Zürich nicht mehr leisten können. Sie werden mich also weiterhin am Kreuzplatz oder anderswo beim Unterschriftensammeln antreffen und können mit mir rechnen im Kampf gegen Leerkündigungen und andere Angriffe auf diejenigen, die nicht über ein hohes Einkommen verfügen.
Ich wünsche Euch allen alles Gute und freue mich aufs Wiedersehen!