Während der Herbstnebel klimawandelbedingt auf sich warten lässt, hat sich der Nebel über den Wahlfinanzen für die Nationalratswahlen 2023 etwas gelichtet. Die neuen Transparenzregeln der Politikfinanzierung sind vorgegeben: Bis am 6. September mussten Parteien, «Kampagnenführende» und Kandidat:innen, die mehr 50’000 Franken in Geld- und Sachleistungen aufwenden, ihr Einnahmen-Budget und Einzelspenden von natürlichen und juristischen Personen ab 15’000 Franken gegenüber der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) offenlegen. Die EFK publiziert die Daten laufend auf der Webseite «Politikfinanzierung». Mittlerweile sind die Daten der wichtigsten Player aufgeschaltet.
Die üblichen Verdächtigen bei der SVP…
Wenig Überraschendes bei der SVP: Hier findet man die üblichen Verdächtigen. Auf Bundesebene deklariert sie ein Budget von 4.9 Mio Franken, wovon 3.2 Mio Franken als «Eigenmittel» (zu dieser Kategorie kommen wir später). Für die Grossspenden zeichnet das Quartett verantwortlich, das man allseits erwartet hatte: die beiden Altvorderen Christoph Blocher (550’000.-) und Walter Frey (250’000.-) und die beiden Nachwuchskräfte Thomas Matter und Magdalena Martullo-Blocher mit je 100’000.-. Insgesamt also eine runde Million.
… und bei der FDP
Das offengelegte Wahlbudget der FDP Schweiz beläuft sich auf 2.5 Mio Franken. Auch hier wenig Überraschendes. Als Spitzen-Sponsoren finden wir den Unternehmensberater Luzi Sprüngli aus der Schoggi-Dynastie und Zementbaron Thomas Schmidheiny mit je 100’000.-. Mit 35’000.- folgt der gescheiterte CS-Mann Peter Kurer. Von den «Freunden der FDP», die auch nicht mehr sind, was sie einst waren, sind Präsident Philip Mosimann (30’000.-), Boss von Bucher Industries und langjähriger Präsident von Swissmem, und SwissRe-Mann Walter Kielholz (20’000.-) mit von der Partie. Valentin Vogt, bis vor kurzem Präsident des Schweiz. Arbeitgeberverbands, supportet die FDP mit 30’000.-.
Millionen für die «Geld-und-Gülle-Allianz»
Bei den Supportern aus der Wirtschaft richtet die IG der Wirtschaftsverbände «Perspektive Schweiz» – im Volksmund die «Geld-und-Gülle-Allianz» genannt – mit der grossen Kelle an: 2.2 Mio Franken, paritätisch finanziert von economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Arbeitgeberverband und Schweizer Bauernverband.
Als grösster Financier erweist sich der Schweiz. Gewerbeverband, der neben seinem Beitrag von 539’000.- an Perspektive Schweiz 395’000.- für eine eigene Werbekampagne aufwirft und 7 Kandidat:innen total 107’000.- Kampagnenbeiträge gewährt – insgesamt gut 1 Million Franken. Mit 270’000.- an FDP, SVP, Mitte und GLP und dem Beitrag an Perspektive Schweiz kommt der Schweiz. Arbeitgeberverband auf gut 800’000 Franken.
Grössere Einzelbudgets weisen daneben Gastrosuisse (315’000.-) und der Schweiz. Baumeisterverband (100’000.-) aus. Geradezu mickrige 51’000.- deklariert die Schweiz. Bankiervereinigung für die «Wahlkampfunterstützung für einen zukunftsfähigen Finanzplatz (FDP, SVP, die Mitte, Glp)». Das ist noch weniger als die 80’000 Franken, die Raiffeisen Schweiz für vier Kandidierende in Baselland, Bern und Luzern aufwirft. Ob hier wohl die Post-Credit-Suisse-Depression nachwirkt?
Kampagne führen oder bloss finanzieren?
Ihre Budgets offenlegen müssen laut Gesetz «natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften, die im Hinblick auf eine Wahl in den Nationalrat oder auf eine eidgenössische Abstimmung eine Kampagne führen». Das sind klarerweise Parteien und Kandidat:innen. Aber wer sind die weiteren «Kampagnenführenden»? Hier wird es e bitzeli kompliziert. Im Erläuterungsbericht zur «Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung» (Pofi) heisst es dazu:
«Nach der Verordnung führt eine Kampagne, wer Aktivitäten durchführt und dabei monetäre oder nichtmonetäre Mittel einsetzt, um eine Wahl in die eidgenössischen Räte oder eine eidgenössische Abstimmung zu beeinflussen. Vorausgesetzt sind Aktivitäten, welche die Wahl oder Abstimmung unmittelbar beeinflussen sollen. Sammelt eine Personengruppe etwa Geld für eine Kampagne, erfolgt dies nur mittelbar zur Beeinflussung einer Wahl oder Abstimmung. Das Geld, das den Kampagnenführenden allerdings in der Folge zur Verfügung gestellt wird, müssen die Kampagnenführenden sodann – wenn sie mehr als 50 000 Franken aufwenden – deklarieren.»
Spendenwaschanlage «Stiftung für bürgerliche Politik»
Vereine wie die «Freunde der FDP des Kantons Schwyz» und «SUITO 1833», die zusammen die FDP Schwyz mit 144’000.- alimentieren, oder die «Stiftung für bürgerliche Politik», welche die SVP Schweiz mit 500’000 Franken unterstützt, stellen sich auf den Standpunkt, dass sie selber keine Kampagnen «führen», sondern diese als passive Geldgeber bloss «finanzieren». Es reiche deshalb, wenn der gespendete Globalbetrag bei der Empfängerorganisation offengelegt werde, allfällig darin enthaltene Grossspenden müssten sie nicht deklarieren. So verstanden, können solche Fundraising-Strukturen perfekt als Spenden-Waschanlagen eingesetzt werden. Daniel Hasler, Leiter Transparenz Politikfinanzierung bei der Finanzkontrolle des Bundes, sieht das klar anders: «Der Gesetzgeber will den Urheber der Spende aufzeigen. Es ist daher grundsätzlich verboten, Dritte oder einen Verein oder eine Stiftung zwischenzuschalten, damit der Name einer Person nicht offengelegt werden muss.» (Tagesanzeiger 5. September 2023) Hier besteht offenkundig Klärungsbedarf. Entweder handelt es sich um einen klaren Konstruktionsfehler von Gesetz und Verordnung, der behoben werden muss. Oder die Interpretation der EFK trifft zu, dann muss sich diese auf die Hinterbeine stellen!
«Eigenmittel» als Spenden-Dunkelkammer
Einen grossen Posten bilden in den Kampagnenbudgets die «Eigenmittel», also bereits vorhandene Gelder und Rückstellungen, die eingesetzt werden. Auch sie können als Spenden-Schlupfloch genutzt werden: für Spenden, die mehr als ein Jahr vor dem Wahltag getätigt wurden, und für Zuwendungen, die nicht explizit für die Nationalratswahlen gemacht wurden. Bei der SVP Schweiz summiert sich dieser Posten auf 3.2 Mio Franken.
Restriktive Offenlegung bei den Wirtschaftsverbänden
Entsprechend unterschiedlich interpretieren Umwelt- und Wirtschaftsverbände ihre Deklarationspflicht. Während Greenpeace oder WWF sich als Kampagnenführende betrachten und entsprechend breit offenlegen, deklarieren die Wirtschaftsverbände bloss Aufwendungen für direkte Verbandskampagnen, Kampagnenbeiträge an Dritte muss man im EFK-Register mühsam zusammensuchen. Gar nix deklariert etwa der Kantonale Gewerbeverband Zürich, obwohl er vor vier Wochen – wie die Analyse von politransparency zeigt – eine aufwendige Facebook-Kampagne gestartet hat, die insgesamt deutlich über 50’000 Franken kosten dürfte.
Immo-Sponsor Nr.1: HEV Zürich
Als ehemaliger Geschäftsleiter des Zürcher Mieterinnen- und Mieterverbands interessiere ich mich natürlich besonders für die Wahlspenden der Immo-Haie. Wenig verwundert, dass SVP wie FDP Kanton Zürich sowohl vom Hauseigentümerverband (HEV) Zürich (50’000.- respektive 40’000.-) und vom Immo-Hardliner Swiss Life (30’000.- respektive 20’000.-) gesponsert werden: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Bei den Immo-Sponsoren muss man nicht lange suchen: Als Nr. 1 sticht mit knapp einer halben Million Franken der HEV Zürich hervor:
Betrag | |
Kampagne HEV Kanton Zürich | 75’000 |
Kampagne HEV Region Winterthur | 65’000 |
Beitrag an SVP Kanton Zürich | 50’000 |
Beitrag an FDP Kanton Zürich | 40’000 |
Beitrag an FDP Stadt Zürich | 40’000 |
Beitrag an die Mitte Kanton Zürich | 30’000 |
Beitrag an Hans Ulrich Bigler (SVP) | 50’000 |
Beitrag an Martin Farner (FDP) | 50’000 |
Beitrag an Sonja Rueff-Frenkel (FDP) | 50’000 |
Beitrag an Yasmine Bourgeois (FDP) | 30’000 |
Total | 480’000 |
In diesem Total ist der – zweifellos beträchtliche – Beitrag für die Ständeratskampagne von HEV-Vizepräsident Gregor Rutz nicht enthalten.
Der Gesamtbetrag ist nicht nur für eine bloss kantonale Kampagne ungewöhnlich hoch. Es fällt auch auf, dass in keinem anderen Kanton überhaupt HEV-Beiträge, geschweige denn in dieser Höhe, ausgewiesen werden. Das überaus massive finanzielle Engagement des HEV Zürich zeigt, mit welch harten Bandagen um die Milliardenprofite auf dem Zürcher Immobilienmarkt gekämpft wird.
P.S. Das Wahlbudget der AL Zürich beträgt 85’000 Franken. Der HEV Zürich schmiert die bürgerlichen Parteien mit dem 6-fachen! Wie wärs mit einer Ausgleichs-Spende an die AL?