Einen Unterschriftenbogen für die Initiative findest Du hier.
Was viele nicht wissen: Kantone und Gemeinden können ergänzend zu den zivilrechtlichen Mieterschutzbestimmungen des Obligationenrechts im Zusammenhang mit baulichen Massnahmen öffentlich-rechtliche Schutzbestimmungen erlassen, um einen genügenden Bestand an Wohnungen sicherzustellen, deren Mieten für breite Bevölkerungskreise tragbar sind.
Umfangreiche wohnpolitische Kompetenzen von Kantonen und Gemeinden
Zu diesem Fragenkomplex hat das Bundesgericht seit den 1960er-Jahren in zahlreichen Entscheiden eine gefestigte Praxis entwickelt. Im Entscheid BGE 146 I 70 vom November 2019 fasst es seine bisherige Rechtsprechung zusammen:
- Direkte Kündigungsverbote sind unzulässig, weil sie in die Vertragsfreiheit eingreifen (Vorrang des Bundeszivilrechts)
- Voraussetzung für kantonale Wohnschutz-Interventionen ist ein Wohnungsmangel im zu schützenden Bereich (Leerwohnungsziffer unter 1.5 – 2%)
- Die Massnahmen müssen verhältnismässig sein, sie dürfen den Kerngehalt des Eigentums nicht aushöhlen
- Sie müssen sich auf ein schutzwürdiges öffentliches Interesse abstützen
- Konkret qualifiziert das Bundesgericht «das Bedürfnis der Bevölkerung an einem genügenden Angebot von Mietwohnungen in einem bestimmten Preissegment» als hinreichendes «öffentliches Interesse» für das Ergreifen von Massnahmen
- Eine dauerhafte Mietzinskontrolle ist zulässig, solange sie nur einen Teil der Wohnungen betrifft
- Umfassende Mietzinskontrollen bei Privaten sind zulässig, solange sie zeitlich befristet sind
Fazit: Die Kompetenzen der Kantone – und damit der Gemeinden – gehen sehr weit, viel weiter als man in der Deutschschweiz gemeinhin annimmt:
Erweiterung des wohnpolitischen Werkzeugkastens der Gemeinden
Was verlangt unsere Initiative? Sie bringt eine kantonale Rahmenregelung für kommunale Wohnschutz-Massnahmen, und zwar als Ergänzung des bestehenden Gesetzes über die Wohnbau- und Wohneigentumsförderung (LS 841). Damit soll der wohnpolitische Werkzeugkasten der Gemeinden erweitert werden. Im gleichen Gesetz wurde bereits 2016 die Rechtsgrundlage für die Einrichtung kommunaler Wohnraumfonds geschaffen, von der die Stadt Zürich Gebrauch gemacht hat. Auch die im März 2023 eingereichte Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» für ein kommunales Vorkaufsrecht soll dort Platz finden.
Höchstmieten als Renditebremse…
Ziel der Wohnschutzmassnahmen ist die «Sicherung von Mietwohnungen, die für breite Bevölkerungskreise finanziell tragbar sind». Die Initiative lehnt sich hier an die französische Formulierung der «besoins prépondérants de la population» aus den Wohnschutzgesetzen der Romandie an. Das Bundesgericht geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass damit auch Haushalte mit mittlerem Einkommen (bis zu 80% der Bevölkerung) gemeint sind.
Konkret werden die Gemeinden ermächtigt, Renovationen und Umbauten, Abbrüche und Ersatzneubauten und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens einer speziellen Bewilligungspflicht zu unterstellen. Dabei können sie auch zeitlich befristet – für eine Dauer von 3 bis 10 Jahren – Höchstmieten festsetzen – ein zentraler Hebel, um übersetzte Mietaufschläge zu verhindern und ein genügendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen zu gewährleisten. Gemeinnützige Wohnbauträger sind den Wohnschutzmassnahmen nicht unterstellt, da sie eine behördlich regulierte Kostenmiete praktizieren.
…und indirekter Schutz vor Leerkündigungen
Zwar dürfen Kantone und Gemeinden wegen des Vorrangs des Bundeszivilrechts Leerkündigungen nicht verbieten. Mit der Mietzinsbegrenzung bei Renovationen entfällt jedoch der Anreiz für Vermieter:innen, Mieter:innen auf die Strasse zu stellen, weil sie bei Neuvermietungen keine höhere Miete erzielen können.
Wer Mehrfamilienhäuser abreissen will, kann verpflichtet werden, im Ersatzneubau gleich viele bezahlbare Wohnungen wie bisher zu erstellen. Unnötige, rein renditegetriebene Abbrüche – heute werden in Zürich Wohnungen, die keine 30 Jahre alt sind, abgerissen – werden damit unattraktiv. Das ist ökologisch nachhaltiger und hilft, graue Energie zu sparen. Und Mieter:innen haben die Chance, in eine bezahlbare Wohnung umzuziehen.
Spielraum für Gemeinden – demokratische Mitsprache gewährleistet
Wichtig: Die Initiative enthält bloss eine «Kann»-Bestimmung. Die Gemeinden können also frei entscheiden, ob sie Wohnschutzmassnahmen erlassen wollen oder nicht. Die kantonale Regelung steckt nur den Rahmen ab und regelt vor allem die formalen Aspekte wie Rechtsschutz und Sanktionen. In der inhaltlich-konkreten Ausgestaltung sind die Gemeinden frei. Sie können selber bestimmen, welche der aufgeführten Tatbestände sie einer Bewilligungspflicht unterstellen und wie sie die Mietzinskontrolle ausgestalten wollen. Will eine Gemeinde Wohnschutzmassnahmen einführen, braucht es dazu einen kommunalen Erlass, welcher dem Referendum unterliegt. Damit ist eine vollumfängliche demokratische Kontrolle gewährleistet.
Ziel der Initiative ist es, die bauliche Entwicklung in geordnete, sozial verträgliche Bahnen zu lenken. Die Gemeinden erhalten damit ein Instrument, um Wohnschutzmassnahmen zu erlassen, die auf ihre lokalen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Mehr Infos: www.wohnraum-schuetzen.ch