Es gehört zu den Ritualen Stadtzürcher Politik, dass der Stadtrat periodisch eine Vorlage zur Ausgliederung eines grossen städtischen Betriebs ausarbeitet. Das letzte Mal geschah dies 2015, als Andres Türler dem Gemeinderat die Auslagerung des EWZ vorschlug. Nachdem Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission am 14. Juni 2016 einen kritischen Bericht vorgelegt hatten, entschied der Gemeinderat im Oktober 2015 mit 81 zu 41 Stimmen, dass nicht auf die Vorlage eingetreten wird.
Aktuell steht das Stadtspital im Fokus. Das Besondere: Den Startschuss zur Debatte haben SP und Grüne gegeben. Zusammen mit der EVP verlangten sie im Oktober 2021 einen Bericht, in dem der Stadtrat Vor- und Nachteile einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt darlegen soll. Aufgrund des Berichts werde der Gemeinderat entscheiden, wie dem Stadtspital ein «grösserer operativer Handlungsspielraum gewährt» werden soll.
Ein Narrativ für alle Eventualitäten
Der für den Stadtspital zuständige Stadtrat Andreas Hauri hat die bestellte Fleissarbeit abgeliefert. Der Bericht sei Freund*innen des Verwaltungshandelns zur Lektüre empfohlen. Der Antrag des Stadtrats ist banal: «Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass der Stadtrat unter Einbezug aller Interessenvertretungen eine Vorlage zur Ausgliederung des Stadtspitals Zürich in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ausarbeitet.»
Der Gemeinderat wird im Herbst entscheiden, ob er über das Stöckli springt. Die Absicht ist klar: Wenn ihr (Gemeinderat) mir (Andreas Hauri) keinen Auftrag erteilt, werden wir (Stadtrat) euch keine Vorlage zur Auslagerung unterbreiten. Dann seid ihr (Gemeinderat) Schuld daran, wenn’s mit dem Stadtspital nicht gut kommt. Das Narrativ sichert den für das Spital zuständigen Stadtrat für alle Eventualitäten ab.
Der Haken: Der Bericht des Stadtrats, über den der Gemeinderat befinden soll, gibt auf die zentrale Frage keine Antwort. Wie kann ein Betrieb, der über kein Eigenkapital verfügt und bei einem Ertrag von 660 Millionen Franken ein Defizit von jährlich 40 Millionen Franken schreibt, obwohl die Stadt ihm das benötigte Geld und das Land für seine Einrichtungen zu traumhaften Sonderkonditionen zur Verfügung stellt, in eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt werden? Heisst «selbständig» in Bezug auf das Stadtspital «am Tropf der Stadt»? Ist der Spitalrat, der das Stadtspital künftig steuern soll, ohne auch nur ein Mü an finanzieller Verantwortung zu tragen, ein gutes Lenkungsorgan?
Ein Bericht voller Leerstellen
Zu diesen Fragen nehmen Bericht und Antrag des Stadtrats nicht Stellung. Die Frage, warum das Stadtspital nicht schon längst in einen Eigenwirtschaftsbetrieb mit eigener Rechnungsverantwortung umgewandelt worden ist, hat Andreas Hauri weise umschifft.
Als der Stadtrat den Antrag zur Auslagerung des EWZ formulierte, hatte dieses ein Eigenkapital (Spezialfinanzierung) von 1,1 Milliarden, einen Aufwand von 908 und ein Ertrag von 973 Millionen Franken ausgewiesen und einen Gewinn von 63 Millionen Franken an die Stadtkasse abgeliefert.
Das Stadtspital kann nicht auf eigenen Füssen stehen. Das ist nicht seine Schuld, sondern Produkt der nicht kostendeckenden Spitalfinanzierung. Das Triemli hat frühzeitig in die Erneuerung seiner Infrastruktur investiert. Und es steht mit den Landreserven an den 1-A-Standorten Triemli und Waid sowie dem Ambulatorium an der Europaallee sehr gut da. Mit diesen Pfunden der Stadt kann das Spital arbeiten. Trotzdem wird es ohne eine grosszügige Ausstattung mit städtischem Eigenkapital, einer Vorzugsbehandlung bei den Zinskonditionen und der Nutzung des Landes und jährlichen Betriebsbeiträgen nicht gehen.
All das wird im Bericht des Stadtrates nicht thematisiert. Und die vorberatende Kommission? Stand heute scheint sie noch nicht bereit zu sein, diese Fragen zu klären. Bleibt das so, wird der Gemeinderat ohne die harten Fakten darüber entscheiden müssen, ob er über das Stöckchen springen will.