(Bild: Keystone)
Kein Zweifel: Nach der Einführung des automatischen Informationsaustausches in Steuerfragen sind die unter der Ägide der OECD im Oktober 2021 vereinbarten Regeln über eine Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne ein weiterer historischer Durchbruch. Erstmals kommt es zu einer Art internationale Steuerharmonisierung. Firmen mit weltweit mindestens 750 Mio Euro Umsatz müssen ihre Gewinne in den 137 beteiligten Ländern zu mindestens 15 Prozent versteuern.
Historischer Durchbruch, aber…
Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Etwa der Mindestsatz von 15%. Begonnen hatten die Verhandlungen mit 25%, zwischendurch sah es hoffnungsvoll nach 21% aus. Doch dann zeigten Lobbyismus und Powerplay von Tiefsteuerländern wie der Schweiz, Irland, Luxemburg etc. Wirkung. Die Schweizer Delegation lobbyierte für 12.5% und bekam 15%. Zum Vergleich: Bei Normalbesteuerung liegen die effektiven Steuersätze der Kantone zwischen 12% und 20%. Schöpfen die Firmen alle Reduktionsmöglichkeiten der STAF-Reform von 2019 aus, sind es noch 9% bis 13%; auch in Zürich (Normalsatz 19.7%) liegt der Minimalsatz bei 11.75%.
Zweiter Konstruktionsfehler: Rohstoffländer im Süden, die unter Gewinntransfers leiden, haben nichts davon. Erhebt eine Steueroase, in der ein Rohstoff-Multi operiert, weniger als die Mindeststeuer, kann das Land mit dem Firmen-Hauptsitz die Differenz als Zusatzsteuer erheben. Dieser liegt in aller Regel im globalen Norden, die Produzentenländer gehen leer aus.
AL sagt Nein zu verfehlter Umsetzung
Eingeführt wird die Mindeststeuer, die ab 2024 operativ sein soll, aus Zeitgründen durch einen Verfassungszusatz, über den wir am 18. Juni abstimmen. Er enthält die wichtigsten Eckpunkte; die konkrete Umsetzung erfolgt durch eine bundesrätliche Verordnung, die erst später durch ein vom Parlament erlassenes Gesetz abgelöst wird.
Um das 15%-Ziel zu erreichen, soll eine Ergänzungssteuer erhoben werden. Bei der direkten Bundessteuer gehen 78.8% an den Bund und 21.2% an die Kantone. Ein analoger Verteilschlüssel wäre auch für die Ergänzungssteuer angezeigt und wurde auch von der Linken so eingefordert. Gekommen ist es – dank bürgerlichem Lobbying – genau umgekehrt: Der Bund soll bloss 25%, die Kantone 75% erhalten. Damit könnten allein die beiden Tiefststeuer-Kantone Zug und Baselstadt bis zu 40 Prozent der Mehreinnahmen einstreichen. Und sie für eine weitere Erhöhung ihrer steuerlichen Attraktivität einsetzen, durch Subventionen und Senkungen bei den Einkommens- und Vermögenssteuern. Auch der Bund soll die ihm zufliessenden Mittel explizit «zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität» einsetzen.
Im Klartext: Es geht um die Fortsetzung des interkantonalen und internationalen Steuerwettbewerbs mit anderen Mitteln. Dazu sagt die AL Nein. Die Schweiz will und muss die Mindeststeuer umsetzen. Mit einem Nein können wir positiven Druck aufbauen für eine progressivere Umsetzung – wie wir es bei der Unternehmenssteuerreform III erfolgreich getan haben.