(Bild: Polizeieinsatz am 1. Mai in Basel, SRF)
1. Mai 2023: Sowohl in Basel als auch in Zürich zeigen gewaltbereite, schwarz gekleidete und mit Helmen, Knüppeln und Gummigeschossgewehren ausgerüstete Polizeieinheiten volle Härte. In beiden Städten war die Stimmung im Vorfeld medial aufgeheizt worden, die angeblich «drohende Eskalation» wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
In Basel hatte die SP Anfang April einen Aktionskonsens angekündigt: Der schwarze Block sollte von der Demo ausgeschlossen werden. Dieser «Konsens» war allerdings keiner, das 1.Mai Komitee stand nicht hinter diesem «Demo-Codex» und so musste die SP wenige Tage vor der 1. Mai Demonstration zurückkrebsen.
Die fast schon traditionell enthemmt agierende Basler Polizei – wir erinnern uns des Gummischroteinsatzes gegen die Frauendemo vom 8. März 2023 – diese Polizei und deren Führung nahmen diese Steilvorlage der SP gerne auf und kesselten prompt einen Teil der friedlichen und bewilligten Demo über mehrere Stunden ein.
In Zürich ging die 1. Mai-Demonstration fast reibungslos über die Bühne. Die Nachdemo aber musste um jeden Preis verhindert werden. Einen Monat zuvor war es während einer Demo unter dem Motto «Reclaim the streets» zu Sachbeschädigungen und zu Gewalt gegen Personen gekommen. Die SP distanzierte sich in einer Medienmitteilung von «jeglichen extremistischen Handlungen» und verwahrte sich gegen Kritik an der Polizei und deren Führung. Diese würden «über die nötige Expertise (verfügen), um die Einsätze zu planen und ihre und unsere Sicherheit zu gewährleisten». Die Stimmung im Vorfeld war angespannt, das Setting war vorgezeichnet: Der «linksextreme Mob» sollte nicht mehr wüten können.
Damit sich schon gar nicht erst eine Demo formieren konnte, wurden Demonstrant:innen gleich zu Beginn auf das Kanzleiareal zurückgedrängt und eingekesselt. Zu dieser Zeit waren dort auch zahlreiche Unbeteiligte, darunter Familien mit Kindern. Als Reaktion auf Flaschenwürfe schoss die Polizei aus nächster Nähe mit Gummischrot ins Areal, die Hecken verhinderten dabei die Sicht. Bekanntlich wurde ein junger Mann von einem Geschoss am Auge schwer verletzt und wird vermutlich sein Leben lang auf einem Auge blind sein.
Nur in einer «Notwehrsituation» darf der Minimalabstand beim Einsatz eines Gummischrotgewehrs unterschritten werden. Abgesehen von der nicht eingehaltenen Mindestdistanz war dieser Polizeieinsatz auch sonst in jeder Hinsicht unverhältnismässig. Gummigeschosse werden laut Polizeidoktrin eingesetzt, um einen Direktkontakt mit der Gegenseite zu vermeiden. Zwischen den Polizeigrenadieren und den Eingekesselten im Kanzleiareal war ein Metallzaun und deshalb ein direktes Zusammenstossen gar nicht möglich. Von Notwehr kann also keine Rede sein.
Laut Recherchen der «Republik» wurde in den letzten zehn Jahren in der Deutschschweiz durchschnittlich jedes Jahr eine Person durch ein Gummigeschoss schwer verletzt – oft waren die Opfer auch Unbeteiligte. In vielen Ländern Europas ist Gummischrot verboten, weil dessen Einsetzen zu gefährlich ist.
Das Ausschroten von Augen muss ein Ende haben! Das fordert die Gemeinderatsfraktion der Alternativen Liste nach dem 1. Mai im Zürcher Gemeinderat. Auch die Grünen kritisierten in zwei persönlichen Erklärungen die Polizeigewalt und den Einsatz von Gummischrot scharf. Die SP hüllte sich in Schweigen. Weshalb hört man nichts, wenn die Polizei offensichtlich nicht über «die nötige Expertise verfügt, um die Einsätze zu planen und ihre und unsere Sicherheit zu gewährleisten»? Die grüne Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart bedauerte die schwere Verletzung eines Demonstranten und zeigte sich dennoch zufrieden. Die Polizei habe den von ihr gesetzten Rahmenauftrag «erfolgreich und sehr gut umgesetzt». Koste es, was es wolle?
Amnesty International fordert ein Verbot von Gummigeschossen, eine aktuelle Petition auf Campax hat dasselbe Ziel. Grüne und AL forderten 2022 im Gemeinderat die Abschaffung dieser Waffen. Nur wenn alle fortschrittlichen Kräfte zusammenspannen, können wir dieses überfällige Ziel gemeinsam erreichen.