Ich feiere heute ein persönliches Jubiläum. Vor 50 Jahren erste 1. Mai Demo 1973 in SG.Es war ein prächtiger Tag. Die Themen waren international und national. International wurde das Franco-Regime in Spanien verurteilt und national Parolen für die 40-Stunden-Woche skandiert. Ich war enorm von der 1. Mai-Demo beeindruckt. Es wurde mir bewusst, dass man für die Anliegen und Werte, welche einem wichtig sind, einstehen soll und dies auf der Strasse auch zeigen muss.
Die Themen sind immer noch dieselben. Internationale Solidarität und die Verteilung von Kapital und Arbeit. Sei es Lohn, Rente, Arbeitszeit und Wohnen.
Statt Solidarität mit dem Kampf gegen eine Diktatur in Spanien, geht unser Blick heute gegen Osten. Seit über einem Jahr kämpft ein Land mit grosser Energie, unheimlichen Opfern von Menschen und Sachwerten gegen einen Angreifer, welcher aus Grossmachtswahn sein Nachbarland angegriffen hat. Zur internationalen Solidarität gehört, dass man Grenzen respektiert, und den Angegriffenen zu Hilfe eilt.
Unsere Solidarität gilt deshalb dem ukrainischen Volk, das sich gegen die Angreifer aus Russland wehrt.
Die offizielle Schweiz tut sich schwer mit diesem Krieg. Wir hatten in der Schweiz nie eine Diskussion geführt, was heute Neutralität bedeutet und ob neutral auch heisst, in einem Konflikt zwischen Angreifer und Angegriffenen, keine Partei für die Angegriffenen zu ergreifen und so den Aggressor zu stützen. Deshalb steht die Schweiz heute recht unentschlossen und wankelmütig da und zementiert gegenüber dem Ausland den Ruf, sich die Hände nicht schmutzig zu machen, ausser man könne Geld verdienen. Eine solche, egoistische Schweiz steht nicht für internationale Solidarität.
National musste der Staat gegenüber der Privatwirtschaft Solidarität zeigen. Mit Garantien bis zu 109 Milliarden müssen wir die Rettung der CS sichern. Was in der Diskussion immer unterging: Diese Grossbank ist nicht wegen der Drangsalierung von linken Parteien, nicht weil sie in der Schweiz zu viel Steuern zahlte, sondern einzig und allein an der eigenen Gier ihrer Manager – welches fast ausschliesslich Männer sind – und ihrer grossen Aktionäre gescheitert. Die Rettung durch den Staat war richtig. Denn ein Konkurs würde massenweisen Existenzen von Privaten und Firmen vernichten.
Das Eingreifen des Staates zeigt aber zweierlei: Erstens: In der Not brauchen auch die Banken und die Wirtschaft den Staat, auf den sie immer einprügeln. Zweitens: in der Not ist die Schweiz bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen.
Man frägt sich, wieso nimmt diese Schweiz nicht auch so viel Geld für die Sicherung der Sozialwerke in die Hand? Heute steht die Reform des BVG an. In der 2. Säule – bei den Pensionskassen – verdienen im Gegensatz zur AHV Versicherungen und Banken viel Geld und Frauen und Geringverdienende sind massiv benachteiligt. So erhielten die Frauen im Schnitt eine PK-Rente von CHF 1160 und die Männer von CHF 2144, Leute mit tieferen Löhnen beziehen mickrige oder gar keine Renten. Im Gegensatz zur AHV, wo von oben nach unten umverteilt wird, werden bei den Pensionskassen die Gutverdienen massiv bevorteilt. Die vorgesehene BVG-Reform ist kein echter Meilenstein zur Verbesserung zur Situation der Pensionskassen-Renten. Deshalb muss diese Vorlage versenkt werden.
Dass die Schweiz ein Ort des Geldscheffelns von wenigen ist, sieht man nirgends so gut wie beim Wohnungsbau und Immobilienmarkt. Wir erleben eine Wohnungsnot, eine Vertreibung von Menschen aus den Zentren in die Aussenbezirken, weil dort Wohnraum noch günstig ist. Wohnen wird für viele unerschwinglich. Das muss nicht sein. Versicherungen, Immoblienkonzerne, aber auch Pensionskassen spielen hier die entscheidende Rolle bei der Preistreibung. Höchstes Gut ist die Rendite. Die Rendite hängt im Wesentlichen von der Höhe des Kaufpreises der Liegenschaft ab. Jeder Handwechsel verteuert den Boden und führt zu höheren Mieten. Luft und Wasser gehören allen. Beim Boden ist dies nicht der Fall. Das bürgerliche Dogma in diesem Land lautet: Auch wenn auf Grund und Boden Mietwohnungen stehen, muss der Boden privat sein. Solange Grund und Boden wie Spekulationsgut gehandelt werden kann, muss auf dem teuer erkauften Boden eine hohe Rendite erwirtschaftet werden. Es gibt Gegenrezepte gegen Wohnungsnot und Immohaie. Gemeinnütziger Wohnungsbau und Wohnungsbau durch Gemeinden und Kanton ist wichtig und verhindert Spekulation. Die Frage der hohen Mieten kann aber nicht gelöst werden, wenn wir die Frage des Bodenrechtes nicht angehen. Wohnen dient der Allgemeinheit und ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Privateigentum an Grund und Boden darf nicht heilig sein. Der Boden für Mietwohnungen muss der Allgemeinheit gehören und darf kein Spekulationsobjekt sein.
Die Macht des Geldes sehen wir hier auch in nächster Nähe. Der Flughafen ist ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsmotor für diese Region und auch für den Kanton Zürich. Die Frage der Pistenverlängerung ist hier nicht zu diskutieren. Was aber nicht angeht, ist wie die Flughafen AG einseitig ihr genehme politischen Parteien im Kanton finanziert. Die Flughafen AG gehört zu einem Drittel dem Kanton Zürich und zu 5% der Stadt Zürich. Der Rest der Aktionärinnen und Aktionäre ist breit gestreut. Die politischen Rahmenbedingungen macht der Kanton mit dem Flughafengesetz. Die Flughafen AG ist deshalb eine parastaatliche Firma mit einem öffentlichen Auftrag. Wir leben hier in der Schweiz in einer Demokratie, wo wir alle stolz drauf sind, dass alle gleich behandelt werden und niemand vom Staat bevorzugt wird.
Deshalb liebe Flughafen AG: Hört sofort auf, die bürgerlichen Parteien von SVP, FDP und der Mitte mit Geld zu unterstützen. Die Schweiz darf kein Land werden, wo geschmiert wird und Korruption herrscht.
Wir schauen aber auch gerne nach vorne. Am 14. Juni 2023 findet der feministische Streiktag statt. Nach 1991 und 2019 wird dies die dritte grosse feministische Mobilisierung sein. Diese Mobilisierung braucht es. Frauen verdienen immer noch weniger, die Benachteiligung in der Pensionskasse ist enorm, in den oberen Kader der Firmen sind die Männer eklatant in der Überzahl. An der Universität Zürich sind 59% der Studierenden Frauen. Bei der Professorenschaft sind dagegen 72% Männer und 28% Frauen. Nur mit Druck kann das Tempo der Gleichstellung beschleunigt werden.
Sie haben es gehört: Die Themen gehen uns nie aus. Der Kampf für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung und gegen die Macht und die Arroganz der Besitzenden muss das ganze Jahr geführt werden. Was mich aber seit 50 Jahren am 1. Mai freut ist eines: Wir zeigen unsere Forderungen an diesem Tag gemeinsam in der Öffentlichkeit. Es ist schönzu spüren, dass man nicht alleine kämpft, sondern ein Teil einer Bewegung ist, welches viel erreichen kann. Nur gemeinsam, sind wir stark.