Lehrpersonenmangel, Überlastung des Schulpersonals, Beschimpfungen und Bedrohungen der Lehrpersonen. Die Negativ-Berichterstattung zu Schulthemen reisst nicht ab. Es brennt in der Schule. Jüngst forderten bürgerliche Politiker*innen die Rückkehr zu Kleinklassen. Die Integration sei gescheitert, betont das Initiativkomitee vom Basler Berufsverband der Lehrpersonen. Es hat die «Förderklassen-Initiative» lanciert. Warum aber funktioniert das integrative Modell nicht, hinter welchem bei der Einführung die meisten Lehrpersonen standen?
Hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Schüler und Schülerinnen mit Beeinträchtigungen, mit Lernschwierigkeiten und mit Verhaltensauffälligkeiten werden, wenn immer möglich, in Regelklassen integriert. So schreibt es das Volksschulgesetz vor. Aus Studien wissen wir, dass dieses Modell nur Vorteile bringt. Und zwar für alle Kinder, denn sie lernen besser.
Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass verhaltensoriginelle Schüler*innen sehr viel Aufmerksamkeit benötigen und dadurch das Klassensysteme beeinträchtigen und Lehrpersonen an ihre Grenzen bringen. Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten sind kein Novum. Es gab sie schon immer, in jeder Klasse. Aber, die Anzahl steigt. Und die schulische Integration überfordert die Schulen. Die Rückkehr zur Separation durch Klein- und Förderklassen scheint die naheliegende Schlussfolgerung zu sein.
Damit bin ich aber nicht einverstanden. Gerne verweise ich hier auf Parallelen zum sozialen Aufstieg durch den Bildungsweg. Allerweil wird über die Durchlässigkeit unseres Schulsystems geredet, ja, es wird gar schöngeredet. Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Jugendlichen aus bildungsfernen Familien steht der Weg an die Uni zwar in der Theorie offen, ein paar wenige nur landen dort. Denn der Aufwand, zeitlich wie monetär, ist nicht zu vergleichen mit dem direkten Weg zur Uni. Der Staat und die Politik müssen gewillt sein, wenigstens ein Stück weit Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen. Genauso müssen sie gewillt sein, dass die Integration funktionieren kann. Und genau hier liegt der Hund begraben.
Das Schulsystem muss integrationsfähig gestaltet werden. Und da hat die Zürcher Bildungspolitik versagt. Es braucht kleinere Klassen und es muss in die Schulentwicklung investiert werden, damit die verschiedenen pädagogischen Bedürfnisse abgedeckt werden können.
An den Zeugnissen kann das strukturelle Problem aufgezeigt werden. Das Zeugnisreglement der Volksschule ist nicht auf den Lehrplan 21 abgestimmt. Der Lehrplan baut auf Kompetenzen auf, die Zeugnisse nicht. Nach wie vor werden dort die einzelnen Fächer benotet. Wie aber soll individualisiertes Lehren funktionieren, wenn alle Kinder am gleichen Tag den gleichen Test schreiben müssen, obwohl sie entwicklungs- und leistungsmässig an ganz unterschiedlichen Punkten stehen? Wie soll eine Lehrperson individuell beurteilen, wenn sie am Ende des Semesters doch alle über einen Leisten schlagen muss?
Die Politik ist gefordert, Integration möglich zu machen. Kinder, die nicht der Norm entsprechen, einfach in Kleinklassen zu parkieren und ihnen einen Stempel auf die Stirn zu drücken ist ungerecht, rückwärtsgewandt und ineffektiv. Und auch teuer. Das Geld wäre besser in mehr Ressourcen und in die Entlastung der Lehrpersonen investiert.
Und was denken die Wähler:innen?
In den letzten Umfragen der NZZ und des Tages Anzeigers folgte die AL-Wählerschaft der Meinung von Nicole Wyss und stellt sich klar gegen Kleinklassen.