Vor 10 Tagen besetzte ein selbstorganisiertes Kollektiv das Kesselhaus des Elektrizitätswerks Letten an der Wasserwerkstrasse 101. Sie wollten die Halle, welche seit Jahren leer steht, nutzen, um einen «Raum für unkommerzielle Kultur und unabhängigen sozialen und politischen Austausch« zu schaffen. Am Donnerstag drohte das EWZ mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch und damit zusammenhängend einer Räumung. Gestern wurde diese Drohung von der Stadtpolizei in Taten umgesetzt. Bereits früh morgens war die Stadtpolizei mit einem Grossaufgebot vor Ort, um den Raum in seine bisherige Leere zurückzuführen.
Die Fraktionen Alternative Liste und GRÜNE bedauern und kritisieren diese Räumung. Der Stadtrat hat sich damit über seine eigenen Richtlinien bezüglich Räumungen hinweggesetzt und einen Usus über Bord geworfen, der seit Jahren zu einem Mehrwert für die Menschen dieser Stadt geführt hat. Keine der im «Merkblatt Hausbesetzungen» aufgeführten Bedingungen für eine Räumung scheint in diesem Falle erfüllt zu sein.
Es existiert keine Baubewilligung, es ist keine Neunutzung geplant und auch die vorgebrachten Argumente der Sicherheit, des Denkmalschutzes und der Energieversorgung sind schwierig nachvollziehbar und widersprüchlich. So musste das EWZ bereits eingestehen, dass das Gebäude nicht einsturzgefährdet ist und ein Bericht aus dem Jahr 2021 spricht nur von einer Baufälligkeit in Bezug auf die Bodenlast.
Der Denkmalschutz scheint als Räumungsgrund vorgeschoben. Das Gebäude befindet sich lediglich im Inventar; die schutzwürdigen Aspekte sind erst noch zu überprüfen und betreffen die Fassade. Zudem haben die Besetzer*innen dazu Hand geboten. Die Stadt selbst hat die Halle ja jahrelang verlottern lassen. Das Gleiche gilt auch bezüglich der Energieversorgung. Wenn diese wirklich von einer leerstehenden Halle abhängig ist, müssen wir uns für diesen Winter wohl ernsthaft Sorgen machen bezüglich der Strategie des Stadtrats.
Nichtsdestotrotz hat der Stadtrat die Halle gestern räumen lassen. Obwohl er wusste, dass seine eigenen Bedingungen dafür nicht erfüllt sind. Obwohl er wusste, dass sich höchstwahrscheinlich eine Mehrheit dieses Rates für eine unkommerzielle Nutzung der Halle aussprechen wird. Obwohl er wusste, dass die Halle seit Jahren leer steht und vom EWZ nicht benutzt wird. Nun hat der Stadtrat also sein Ziel erreicht: Sie steht nun wieder leer.
Damit verunmöglicht er die Schaffung dringend benötigen Kulturraums und beteiligt sich an der Verdrängung und Gentrifizierung in dieser Stadt. Gleichzeitig ignoriert er den eigentlichen Skandal in dieser Geschichte: Die Stadt Zürich hat jahrelang ein Gebäude an bester Lage ohne Grund leer stehen lassen. Es ist ein Armutszeugnis für den Stadtrat, dass er diese Leere, wie beim Juchareal, einer kulturellen Nutzung anscheinend vorzieht. Wir werden deshalb das von uns eingereichte Postulat nicht zurückziehen. Es ist unserer Meinung nach unhaltbar, dass dieser Raum nun wieder leer stehen soll. Mit dem Postulat wird der Stadtrat aufgefordert, dass er an diesem Ort eine selbstorganisierte Nutzung für kulturelle und politische Veranstaltungen ermöglicht.