«Roman Hugentobler wurde für seine Äusserung zur Polizei von verschiedenen Parlamentariern kritisiert. Andreas Geering von der Mitte/EDU-Fraktion nennt Hugentoblers Aussage «ehrverletzend und diskreditierend». Er sagte: «Dies ist unseres Ratsanstands nicht würdig.» Michael Gross (SVP) doppelte nach: «Nicht jeder, der rechts von dir steht, ist ein Rassist. Wenn du das nicht differenzieren kannst, bist du wohl falsch im Rat.» Stadtpräsident Künzle (Mitte) findet ebenfalls, eine solche Äusserung müsse von der Ratsleitung gerügt werden, was Parlamentsleiter Reto Diener (Grüne) umgehend tat.» (Landbote, 2022)
Man hätte meinen können, ich hätte gerade die gesamte Polizei und alle Bürgerlichen als Rassisten bezeichnet. Dabei habe ich lediglich darauf hingewiesen, dass es rassistische Tendenzen bei der Polizei gäbe, die ausgemerzt gehören. Die übertriebenen Reaktionen amüsierten mich, da ich der Meinung war, dass sie völlig am Ziel vorbeischossen. Je länger ich jedoch darüber nachdenke, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, dass gar nicht ich das Ziel war, sondern andere im Parlament.
Zuerst einmal vorneweg, die Existenz von strukturellem Rassismus ist in unserer Gesellschaft eine Tatsache. Nicht zuletzt bei der Polizei und der Justiz. Darauf haben nicht nur zahlreiche Aktivist*innen aufmerksam gemacht, sondern auch UNO-Expert*innen für Menschenrechte. Auch der Bundesrat anerkennt das Problem. Es ist also in keinster Weise haltlos, wenn man von rassistischen Tendenzen in der Polizei spricht.
Dass das Thema Rassismus in der Schweiz auf so viel Widerstand stösst, hat auch damit zu tun, dass viele Schweizer*innen Rassismus für ein amerikanisches Problem halten, wie Dominique Day, Vorsitzende der Uno-Expert*innengruppe, in einem interessanten WOZ-Interview darlegt. Viele denken, der Kolonialismus habe nichts mit der Schweiz zu tun. Dabei sind dessen Geschichte und Wertesystem auch tief in der Schweiz verankert.
Zurück zum Montagabend. Wie beschrieben war die Empörung gross. Auch die Rüge, die der Ratspräsident auf Druck des Stadtpräsidenten gegen mich aussprach, liess mich kalt. Mit grösserem Abstand zu diesem Abend und einer gewissen Reflektion der Ereignisse wurde mir aber eine weitere Dimension dieser Auseinandersetzung bewusst.
Es war die erste richtige Parlamentssitzung in der neu gewählten Zusammensetzung. Viele neue, junge Gesichter erlebten das erste Mal eine Debatte. Was diese zu sehen bekamen, war eine verhältnismässig harmlose Aussage, die von fünf alten, weissen Männern aufs Schärfste verurteilt wurde. Gestandene Parlamentsmitglieder aus SVP, Mitte, FDP und EDU und der Stadtpräsident. Die Botschaft war klar. Was den Bürgerlichen unangenehm ist, ist in diesem Parlament tabu.
Nicht alle können mit einer öffentlichen Sanktionierung so locker umgehen. Die einen oder anderen in diesem Parlament werden sich nun genauer überlegen, ob sie zu einem Thema etwas sagen wollen oder nicht. Ob bewusst oder unbewusst betrieb die rechte Parlamentsseite das, was sie immer von links beklagen. Cancel Culture. Welche Auswirkungen dieser Abend auf die Neuen im Parlament hatte, wird sich in der Zukunft zeigen. Ich für meinen Teil werde weiter unbequem bleiben und freue mich auf die nächste Eskalation. Denn Eskalationen bieten auch immer die Chance wichtige Diskussionen in der Öffentlichkeit anzustossen.