Anfang Februar gelangt ein geheimer Bericht an die Zürcher Medien. Es ist der Schlussbericht zu einer Testplanung des Amts für Städtebau (AfS). Sofort macht er die Runde, denn es geht um Hochhäuser: Die Gebiete für Türme auf Stadtboden dürften stark vergrössert werden, die Gebäude neu bis zu 250 Meter aufragen. Das polarisiert. Wunsch und Verwünschung prallen beim Thema Hochhaus seit je aufeinander.
Was da «geleakt» wird, ist aber erst ein Zwischenstand. Die Testplanung bildet nur die Grundlage des Vorhabens, die 20 Jahre alten Hochhausrichtlinien zu aktualisieren. Ausgewählt wird das Konzept desjenigen Teams, in dem E2A Architekten, KCAP, Hager Partner, Planwerkstadt, die Soziologin Barbara Emmenegger und Matthias Böttger von Urbanegestalt zusammengearbeitet haben. Das Konzept schlägt drei Typen vor: das hohe Haus mit bis zu 40 Metern, das Hochhaus mit 40 bis 85 Metern und das Metro-Hochhaus mit 85 bis 250 Metern. Je höher der Bau, desto höher die Ansprüche an die städtebauliche Wirkung, die Mischung der Nutzungen, das Angebot auf Strassenebene oder den öffentlichen Zugang: «Hochhäuser sollen mit Leistungen verbunden werden, die Regelbauten nicht erbringen können.» Projekte sollen systematischer beurteilt werden, aber auch öffentlicher diskutiert, sie sollen städtebaulich schwache Orte akzentuieren und am Gleisfeld sogar zur Regel, zum Hochhausquartier, werden.
Verkorkste Ergebnisse
Zürich zaudert im Umgang mit dem Turm. Das zeigendie vergangenen 20 Jahre. Der smaragdgrüne Prime Tower öffnet den Gästen zwar sein Kranzgeschoss, auf Strassenebene aber nur einen Hintereingang. Mobimo, Sheraton, Toni oder Zoelly in Zürich West bleiben für die Allgemeinheit praktisch stumm und erzeugen, da über Hunderte von Metern verteilt, keine Dichte, geschweige denn Stimmung. Noch weiter draussen geplant, werden auch die 132-Meter-Twin-Towers beim Fussballstadion eher Isolation als Integration betreiben. Immerhin: An der Hohlstrasse in Altstetten könnte ein Hauch von Hochhausboulevard heraufziehen, in Leutschenbach sogar eine Ahnung von Hochhausviertel.
Der neue Richtplan und die Bau- und Zonenordnung erlaubten teilweise eine so hohe Ausnützung, dass das Hochhaus manchmal der einzige Bautyp sei, der sie überhaupt erfüllen könne, schreibt das AfS. Doch das kantonale Planungs- und Baugesetz verbietet die Verdichtung durch Türme. Das Sondermittel Gestaltungsplan erlaubt sie dann allerdings wieder. Aber nur, wenn am Boden Fläche frei bleibt. Das verkorkste Ergebnis: Einzelschicksal-Hochhäuser und Stoppelfeld-Stadtbild. Und wenn sich die Verdichtungsbestimmung nicht ändert, geht das so weiter. Aber vielleicht will die oft halbstädtische Schweizer Seele genau das? Einzelne Türme: ja; eine Gruppe aus Bürohochhäusern: allenfalls; eine Hochhausstadt zum Wohnen: bestimmt nicht.
Sozial- und klimaverträgliche Neukonfiguration
Vielleicht fragt man deshalb besser aus der anderen Richtung: Wenn das Hochhaus die Lösung sein soll, was ist dann das Problem? Es ist der Mangel an Wohnraum, konkreter: an günstigem Wohnraum.Aber genau dafür eignet sich das in der Erstellung teure Hochhaus noch nicht. Auch klimatauglich ist es noch nicht. Diese beiden bedeutsamen Ziele will man mit den neuesten Projekten erreichen, etwa mit dem Hochhaus der Genossenschaft ABZ auf dem Koch-Areal oder mit dem Holzhochhaus Pi in Zug. Solange jedoch der Tatbeweis dieser Neukonfiguration aussteht, lässt sich das genannte Problem besser lösen, indem man beispielsweise Überbauungen mit preisgünstigen Wohnungen wie den Brunaupark stehen lässt, statt durch teure neue Hochhäuser zu ersetzen.
Was aus dem vorgeschlagenen Konzept wird, ist noch offen. Bis Herbst nimmt sich das AfS Zeit, um die definitiven Hochhausrichtlinien herauszufiltern. Sie sollen auch mit Parteien und Fachverbänden und später im Gemeinderat diskutiert werden. Eins steht aber schon fest: Hohe Ansprüche an hohe Gebäude zu stellen, ist richtig. Einige davon hätte die Stadt allerdings schon bei den Hochhäusern der vergangenen 20 Jahre einfordern können, da sie meist mit Gestaltungsplänen, also kooperativ, entwickelt wurden. Anders gesagt: Es braucht nicht nur eine Richtlinie, sondern auch Leute, die sie durchsetzen.