(Bild: Senevita AG)
Die ORPEA Gruppe, ein Riesenunternehmen im Bereich Pflege, Psychiatrie und Rehabilitation mit Hauptsitz in Paris, ist in den letzten Monaten medial zusehends in Schieflage geraten. Den Stein ins Rollen brachte die jahrelange Recherchearbeit des Journalisten Victor Castanet mit seinem Buch «Les Fossoyeurs». Von Essensrationierung bis Einsparung bei Kontinenzmaterial bleibt gemäss europaweiten Zeitungsberichten den Leser:innen nichts erspart! Abgesehen von der unerträglichen Vorstellung, als vulnerabler (alter) Mensch passive Gewalt in Form von Vernachlässigung erfahren zu müssen, darf nicht vergessen werden, welche psychischen Auswirkungen eine derart toxische Arbeitsumgebung auf das betreuende- und pflegende Personal hat.
ORPEA betreibt über 1000 Pflege- und Gesundheitseinrichtungen in 22 Ländern. An Schweizer Börsen weist ORPEA einen Wert von über sieben Milliarden CHF auf. Im hiesigen privaten Pflegeheimmarkt positioniert sich ORPEA-Ableger Senevita sehr expansiv. Senevita gehört seit 2014 zu ORPEA und beschäftigt über 4000 Angestellte in derzeit 37 Pflegeeinrichtungen an zahlreichen Standorten, vor allem in der Deutschschweiz. Auch Senevita hat leider schon das Aufsehen der Öffentlichkeit erregt. So berichtete zum Beispiel die SRF-Rundschau anfangs 2018 von vernachlässigten Bewohner:innen und zu wenig Personal. Gemäss der eigenen Webseite schätzt Senevita die Zugehörigkeit im ORPEA Netzwerk zur Bündelung von Professionalität und bestmöglicher Qualität. Zu den Vorwürfen ans Mutterhaus und dessen schlechte Pflegequalitätsreputation fehlen Stellungnahmen seitens Senevita. Auf Nachfrage habe die Geschichte nichts mit den Senevita-Standorten in der Schweiz zu tun habe.
Vernetzt ist Senevita bestmöglich: Die Verbindung zu Bundesbern ist via senesuisse, dem Verband wirtschaftlich unabhängiger Alters- und Pflegeeinrichtungen in der Schweiz, garantiert; Dessen Präsident, Albert Rösti, ist auch Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats.
Schlupfloch Privatisierung
Die Ausbreitung von Grosskonzernen wie ORPEA beruht auf aggressiver Expansionspolitik und Privatisierung. Wo Lücken auf der Versorgungskarte verbleiben, besteht die Gefahr, dass private Anbieter:innen in die Bresche springen. Die Arbeitsbedingungen in privaten Heimen sind nach Aussage von Gewerkschaften in der Regel deutlich schlechter als in öffentlich-rechtlichen Häusern: Sie orientieren sich nicht am städtischen oder kantonalen Personalreglement, haben einen schwachen Kündigungsschutz, intransparente Löhne und üben häufig aufgrund des stark akzentuierten Profitdenkens noch mehr Druck auf das Personal aus. Immerhin verringert jede eingestellte Person den Gewinn. Dazu kommt eine verbreitete Praxis gewinnorientierter Pflegekonzerne, die Staatsbeiträge für Pflege in private Geldbeutel fliessen zu lassen. Mitte 2021 zeigte ein Reporterteam von Investigate Europe eine beunruhigende Tendenz der Abwanderung von staatlichen Leistungen für die Pflege in Firmen, an denen sich Finanzinvestoren beteiligen. Dadurch wird der öffentliche Auftrag der Alterspflege untergraben. Der Staat verpasst dabei seine Aufgabe, Versorgungsstrukturen in infrastruktureller-, personeller,- wie auch finanzieller Art sicherzustellen sowie Qualitätsstandards und verbindliche adäquate Arbeitsbedingungen festzulegen. Profit passt nicht zu einem Sektor mit Löchern in Stellenplänen und Personallöhnen!