Lange war das Ausmass der Zerstörung der Ökosysteme und das damit verbundene Leiden für Menschen, Tiere und Pflanzen eine Tatsache, vor der industrialisierte Gesellschaften ihre Augen verschliessen konnten. Schmelzende Eisberge in der Antarktis, brennende Wälder in Brasilien und Bevölkerungsbewegungen wegen der Dürre in Afrika liessen über Jahre viele europäische Herzen ziemlich kalt. Inzwischen ist die Klimakrise jedoch eine Realität, die nicht mehr erklärt werden muss und nicht mehr wegdiskutiert werden kann.
Klimaallianz fordert Netto Null 2030
Die Hitzerekorde der letzten Jahre haben eine junge, ökologisch aufgeklärte Generation geweckt, welche die Politik bunt und laut auffordert, die bisher praktizierte Passivität zu überwinden. Die Forderung der Klimastreik-Bewegung ist klar: Zürich soll alles unternehmen, damit der Netto-CO2-Austoss pro Einwohner:in bis 2030 auf Null sinkt. Der Weckruf der Aktivist:innen war so klar und deutlich, dass eine breite „Klimaallianz“ ihn in den Rat weitertrug. Im April 2019 beauftragten AL, Grüne, SP, GLP und EVP den Stadtrat, Netto Null 2030 als Ziel in die Gemeindeordnung aufzunehmen.
Soziale Dimension mitdenken
Während der nächsten zwei Jahre arbeitete die Stadtverwaltung unter Leitung des Gesundheits- und Umweltdepartements einen Vorschlag aus. Dabei zeigte sich, dass das geforderte Netto-Null-Ziel 2030 aus verschiedenen Gründen nicht realisierbar ist. Eine derart schnelle Dekarbonisierung der Stadt hätte zur Folge, dass breite Bevölkerungskreise wegen der zahlreichen nötigen Massnahmen – Gebäudesanierungen, Umgestaltung der Energieversorgung, Tiefbauarbeiten etc. – ihren Wohnraum und ihre Bewegungsfreiheit verlieren würden. Unnötig zu sagen, dass gerade Armutsbetroffene und finanziell verletzliche Bevölkerungsgruppen von diesem Exodus als Erste betroffen wären. Ein ökologischer Umbau, der die soziale Dimension nicht von Anfang mitdenkt, ist zum Scheitern verurteilt.
Stadtrat beantragt Netto Null 2040
Das weiss der Stadtrat. Deshalb schlug er im April 2021 in seiner Weisung eine Verschiebung um zehn Jahre vor. Auf der Basis der seit 2008 geltenden ökologischen Ziele (Stichwort: „2000-Watt-Gesellschaft“) beantragte er eine Änderung der Gemeindeordnung mit dem Netto-Null-Ziel 2040. Was als „Kompromiss“ daherkommt, ist ein ehrgeiziges Klimaziel, sowohl in zeitlicher als auch in sozialer Hinsicht. Netto Null 2040 ist der Beitrag, den eine reiche Stadt wie Zürich mit einem seit Jahrzehnten überproportional grossen ökologischen Fussabdruck zu leisten hat, wenn die Behebung der Klimakatastrophe aus lokaler und globaler Sicht gerecht gelöst werden soll.
Netto Null 2035 für städtische Bauten und Infrastrukturen
In der Kommissionsberatung zeigte sich, dass durchaus noch Verbesserungspotenzial besteht. Abklärungen mit der Verwaltung ergaben, dass die Stadt selbst in der Lage wäre, die eigene Infrastruktur bis 2035 zu dekarbonisieren. Wichtige städtische Unterstützungsprogramme – wie etwa zur Förderung des Ersatzes von fossil betriebenen Heizungen – könnten schnell lanciert werden. Eine Verzögerung machte hier also keinen Sinn.
Steiler Absenkpfad und aktives CO2-Monitoring
Die schlechte Erfahrung im Umgang mit den bisherigen Klimazielen, die zwar sehr viel forderten, aber weder vom Stadt- noch vom Gemeinderat wirklich aktiv verfolgt wurden, führte die Klimaallianz dazu, einen möglichst steilen („mindestens linearen“) Absenkpfad zu fordern. Die Klimakrise findet hier und jetzt statt und muss möglichst rasch angepackt werden. Schliesslich beschloss die Kommission, dass die Klimaziele nicht nur konsequent umgesetzt, sondern auch entsprechend kontrolliert werden und dem Gemeinderat jährlich Bericht erstattet wird. Sollte sich dabei zeigen, dass die Stadt den ehrgeizigen Absenkpfad nicht einhalten kann, ist der Stadtrat verpflichtet, von sich aus weitere Massnahmen vorzuschlagen, damit das Netto-Null-Ziel 2040 tatsächlich erreicht werden kann. Dieses permanente Monitoring der CO2-Reduktion hat die AL eingebracht.
Klares Ja der AL
Der Stadtrat ist mit diesen Optimierungen einverstanden und im Gemeinderat hat nur die SVP gegen die Gemeindeordnungs-Revision gestimmt. Für die Abstimmung vom 15. Mai empfiehlt die AL ein klares Ja. Auch dank unseres Einsatzes kann Zürich den ökologischen Umbau sozial abgefedert, global gerecht, stetig, rasch und kontrolliert vorantreiben. Die Zeiten der helvetischen Gemütlichkeit in Sachen Ökologie sind definitiv vorbei.