Worum geht es bei unserer Initiative?
Seit 2008 müssen Aktionärinnen und Aktionäre, die mit mindestens 10 Prozent an einer Firma beteiligt sind, ihre Dividendeneinnahmen im Kanton Zürich nur noch zur Hälfte versteuern. Die Initiative will das ändern und verlangt eine Besteuerung dieser Gewinnausschüttungen zu 70 Prozent, wie sie auch bei der direkten Bundessteuer gilt. Der Steuerrabatt soll also von 50 auf 30 Prozent reduziert werden.
Ein 2-Milliarden-Geschenk an Superreiche
Von diesem Dividendenrabatt profitierte laut Daten der Finanzdirektion von 2014 etwa 1 Prozent aller Steuerpflichtigen. 87 Prozent entfielen auf Gewinnausschüttungen von mindestens 100’000 Franken, die Hälfte auf Ausschüttungen von 1 Million Franken und mehr. Insgesamt wurden 2014 1.8 Milliarden Franken Dividenden privilegiert besteuert. Wie neuere Zahlen aus der Stadt Zürich zeigen, wo Daten bis 2019 vorliegen, dürften es aktuell mindestens 2.5 Milliarden sein.
Bei der Einführung 2008 wurde uns dieser Steuerrabatt als Entlastungsmassnahme für KMU verkauft. Als Berechnungsbeispiel zeigte die Abstimmungszeitung eine Gewinnausschüttung von 20’000 Franken. Die Zahlen der Finanzdirektion ergeben ein deutlich anderes Bild. Wir reden da nicht von Coiffeusen, kleinen Take-Away-Betreibern oder Sanitärinstallateuren. Wir reden vom alten Zürcher Geldadel, von SVP-Granden wie Magdalena Martullo-Blocher und Walter Frey, von Medienzaren wie Michael Ringier oder den Familien Coninx-Supino, von Bankern wie Thomas Matter oder Martin Bisang, von Bau- und Immobilienlöwen wie Urs Ledermann oder der Familie Spross.
Wirtschaftliche Doppelbelastung?
Das Hauptargument für die Teilbesteuerung von Dividenden ist die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, der Tatsache also, dass der Gewinn zunächst in der Firma und dann die Gewinnausschüttung bei den Eigentümer:innen besteuert wird.
Hier wird allerdings kräftig übertrieben. Belastungsvergleiche gehen von der unrealistischen Annahme aus, dass jeweils der gesamte Gewinn nach Steuern ausgeschüttet wird. Auch der Regierungsrat rechnet in seiner Weisung so.
Tatsache ist, dass in der Regel bloss ein Teil des Gewinns ausgeschüttet wird. Damit relativiert sich das Doppelbelastungs-Argument erheblich.
Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum dieses Doppelbelastungs-Argument nur für Aktionäre mit mindestens 10 Prozent Beteiligung gelten soll. Auch die Dividende der Nestle-Kleinaktionärin stammt aus einem Gewinn, der vorher schon firmenintern versteuert wurde.
Wir alle sind im Übrigen vielfältigen Mehrfachbesteuerungen unterworfen. Auf dem Einkommen, das wir versteuern, hat der Staat zuvor bei unserem Konsum schon kräftig Mehrwertsteuer abgezogen. Es ist trotzdem noch nie einem starken Raucher eingefallen, eine Reduktion der Einkommenssteuer zu fordern, um die vorgängige Besteuerung seines Tabakkonsums zu kompensieren.
Mindereinnahmen und Schwächung der AHV
Beim Belastungsvergleich wird regelmässig unterschlagen, dass auf Dividenden keine AHV-Beiträge geschuldet sind und Unternehmer-Aktionär*innen damit erhebliche Einsparungen erzielen können. Schon in der Botschaft zur Unternehmenssteuerreform II schreibt der Bundesrat:
«Es darf nicht so weit kommen, dass ein Unternehmer-Aktionär kein Interesse mehr hat, sein AHV-pflichtiges Salär zu erhöhen, weil der Bezug von Dividenden ein höheres frei verfügbares Einkommen (nach Steuern) übrig lässt.»
Andreas Dummermuth, Präsident der kantonalen Ausgleichskassen, erklärte 2017 dazu:
«Das Problem sind heute vor allem Ein-Mann- und Kleinst-AGs. Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte und Architekten machen sich einen Volkssport daraus, eine GmbH zu gründen, um mehr Dividenden und weniger Lohn beziehen zu können. So wird ein System von innen ausgehöhlt.»
2000 – 2007 – 2018: Immer weniger Selbständigerwerbende
Diese für die AHV negative Entwicklung belegt auch ein Blick in die Bundessteuerstatistik für den Kanton Zürich. Bis 2007 hat in der Einkommensgruppe von 100’000 Franken und mehr die Anzahl der Selbständigerwerbenden und das von ihnen versteuerte Einkommen regelmässig zugenommen. 2008 erfolgte eine Trendumkehr. Bis 2018 ist die Anzahl der Selbständigen und ihr Reineinkommen um einen Drittel zurückgegangen.
Bundesrat stets für 70%-Teilbesteuerung
Sowohl bei der Unternehmenssteuerreform III wie bei der Steuervorlage 17 hat sich der Bundesrat für eine 70%-Teilbesteuerung von Dividenden sowohl auf Bundes- wie auf Kantonsebene ausgesprochen. In der Botschaft zur Steuervorlage 17 schreibt er:
«Die wirtschaftliche Doppelbelastung wird mit den geltenden Regelungen tendenziell überkompensiert. Daraus ergeben sich Verhaltensanpassungen wie die Umwandlung von Personengesellschaften in Aktiengesellschaften oder die Ausrichtung von Dividenden statt Lohn. (…)
Eine Erhöhung des Teilbesteuerungsmasses auf 70 Prozent erscheint angemessener. Die Erhöhung der Teilbesteuerung ausgeschütteter Gewinne korrigiert eine vorhandene Unterbesteuerung der Beteiligten an Kapitalunternehmen.»
Entsprechend wurde bei der Unternehmenssteuerreform STAF 2019 bei der direkten Bundessteuer eine Teilbesteuerung von 70 Prozent beschlossen.
Auch der Zürcher Regierungsrat hat sich übrigens in seiner Vernehmlassung zur Steuervorlage 17 2017 für 70 Prozent ausgesprochen. Er erklärte darin wörtlich:
«Die Teilbesteuerung der Dividenden soll auf das im Bundesrechtvorgesehene Mindestmass von 70% erhöht werden.»
Eine höhere Teilbesteuerung ist nicht exotisch. Das zeigt ein Kantonsvergleich. Nur 10 Kantone und Halbkantone haben eine Teilbesteuerung von 50%, darunter Tiefststeuerkantone wie Nid- und Obwalden, Schwyz und Zug, 16 Kantone eine höhere Teilbesteuerung, davon 7 mit 70 und ein Kanton mit 80 Prozent.
Fazit
Der Steuerrabatt auf Dividenden ist in mehrfacher Hinsicht ungerecht:
- er privilegiert Kapitaleinkommen gegenüber Löhnen
- er diskriminiert Klein- gegenüber Grossaktionärinnen und -aktionären
Die Initiative
- ist moderat, sie schlägt nicht die Abschaffung, sondern eine Teilkorrektur vor
- mit einer Teilbesteuerung von 70 Prozent bewegt sie sich auf der Linie des Bundesrats und übernimmt die geltende Regelung bei der direkten Bundessteuer
- sie bringt ein wenig mehr Steuergerechtigkeit
- sie bremst Anreize zur Schwächung der AHV
- last but not least bringt sie willkommene Mehreinnahmen in Höhe von 40 Millionen Franken