Wer oder was hat Dich politisiert?
Ich wurde sehr früh politisiert durch Diskussionen in der Familie. Insbesondere ausländer:innenfeindliche Abstimmungen wie die Minarett- oder die Ausschaffungsinitiative haben mir gezeigt, dass es wichtig ist, eine Gegenstimme im öffentlichen Diskurs zu sein. Auch die Klimakrise hat mich früh dazu bewegt, aktiv zu werden und meine Stimme zu erheben.
Durch Diskussionen im Bekanntenkreis, die Teilnahme an Demos und Podiumsdiskussionen habe ich mir Wissen angeeignet und meine rhetorischen Fähigkeiten geschärft. Bei den Vorbereitungen auf den Frauenstreik 2018/19 habe ich zum ersten Mal aktiv bei Mobilisierung und Planung von Aktionen mitgewirkt. In FINTA-Räumen fiel es mir leicht, schnell Verantwortung zu übernehmen, Sitzungen zu leiten und Aktionen mitzugestalten. Die daraus gewonnene Erfahrung gab mir letztlich auch das Selbstvertrauen, mich mit anderen am Arbeitsplatz zu organisieren und Forderungen an die Leitung zu stellen.
Welche politischen Denker:innen haben Dich beeinflusst?
Die feministischen Theorien von Judith Butler, insbesondere die Performance und Konstruktion von Geschlecht, die Unterdrückungsmechanismen aufrecht erhalten, haben mich geprägt. Zudem beeinflusst die antikapitalistische Theorie von Marx und Konsorten meine Praxis, aber auch die Kritik am Marxismus von Silvia Federici, vor allem in Bezug auf die Ausblendung der Reproduktions- und Sorge-Arbeit. Weiter hat mich Angela Davis mit ihrer Arbeit zu Antirassismus und Abolition geprägt.
Was war bisher Dein wichtigstes politisches Ereignis?
Eines der wichtigsten politischen Ereignisse war für mich der Frauenstreik 2019. Beinahe ein Jahr Vorbereitung mit vielen Aktionen und Mobilisierungsmomenten, um danach so breit in den Medien und auf der Strasse gehört zu werden. Das war ein unheimlich starkes Gefühl. Der Tag selbst war bunt und vielfältig. Vom kleinen Dorf im Aargau, wo ein Streik-zmittag im Park organisiert wurde, bis zu grossen Städten wie Winterthur oder Zürich, die durch die vielen teilnehmenden Menschen lahm gelegt wurden. Das war ein unglaublicher Tag für mich und gab mir eine Idee, für welche Form von Gesellschaft es sich zu kämpfen lohnt.
Wieso politisierst Du bei der Alternativen Liste?
Initialzündung war der Kontakt zu Roman. Was mich jedoch an der AL überzeugte, war der unkomplizierte Einstieg und die Möglichkeit, auch schnell Verantwortung zu übernehmen, ohne sich durch die verschiedenen Hierarchiestufen, wie es sie in anderen Parteien gibt, zu kämpfen. Dass die AL eine kompromisslosere Politik betreibt als andere linke Parteien, bestärkt mich, hier an der richtigen Adresse zu sein.
Was willst Du mit der Alternativen Liste erreichen?
Ich verspreche mir einen neuen Zugang und eine neue Art von Wirksamkeit in der Politik der Stadt. Als Aktivistin ist es oft schwer, ernst genommen zu werden und einen breiten Diskurs in der Gesellschaft und den Medien zu politischen Themen anzureissen. Zum Beispiel hatten wir im Zuge des Frauenstreiks 2019 hundertfünfzig Forderungen gesammelt und bei der Stadt eingereicht. Vom Stadtrat kam erst nach einem Jahr eine Antwort und ein wirkliches Zugeständnis zu nur einer unserer Forderungen gab es nicht. Als Parlamentarierin erhoffe ich mir, ernster genommen zu werden und meine Stimme denen zu schenken, die im politischen Diskurs nicht genügend zu Wort kommen.
Es ist jedoch weiterhin wichtig, dass die AL in Kontakt mit ausserparlamentarischen Gruppen bleibt und aktiver Teil von sozialen Bewegungen ist. Nur zusammen können wir eine wirksame und wirkungsvolle Politik vorantreiben.
Aus: AL-Info 22/01