Am letzten Mittwoch hat der Zürcher Gemeinderat für die Jahre 2023 – 2026 eine Senkung der Sackgebühren um 25 Prozent und der Abfall-Grundgebühren um 72 Prozent beschlossen. Dieser Erfolg zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten ist der vorläufige Schlusspunkt in einem mehr als zwanzigjährigen Kampf der AL. Unser Einsatz für faire, kostendeckende Werkgebühren und gegen staatliche Abzocke hat eine lange Geschichte. Eine langweilige, werden manche sagen, Gebühren sind nicht sexy. Ich erzähle die Geschichte trotzdem. Weil sie trefflich illustriert, warum die AL für demokratisch kontrollierte öffentliche Betriebe und gegen Ausgliederungen und Privatisierungen kämpft.
2001: AL lanciert Tarifsenkung beim Abwasser
Die Geschichte beginnt im Jahr 2001. Da der Bau des Abwasser-Verbindungsstollens von Zürich Nord zur ARA Werdhölzli 50 Mio Franken weniger gekostet hat als budgetiert und ERZ Abwasser weit über 100 Mio Franken Reserven angehäuft hat, verlangt Walter Angst, damals noch nicht im Gemeinderat, im August 2001 mit einer Einzelinitiative eine Senkung der Abwassergebühren um 15% für 2001 und um 20% ab 2002. Die Einzelinitiative verfehlt zwar das Quorum, aber im November 2001 beschliesst der Rat auf Antrag des Stadtrats eine etwas geringere Tarifreduktion.
2003: AL setzt Strompreis-Bonus durch
Im gleichen Jahr verlangt der Stadtrat vom Parlament die Ermächtigung, ewz-Grossverbrauchern auf Vertragsbasis Rabatte zu gewähren, während Haushalte und Kleinkonsument:innen weiterhin die regulierten Tarife bezahlen sollen. Die AL bekämpft den Antrag mit einem Referendum und einem Rekurs und beantragt, einen Teil der üppig fliessenden Gewinne in Form eines Bonus an alle ewz-Bezüger:innen auszuschütten statt einseitig Grossverbrauchern Tarifgeschenke zu machen. Nachdem der AL-Antrag im Gemeinderat hochkant gescheitert ist und der Bezirksrat den AL-Rekurs gegen die Grossverbraucher-Rabatte gutgeheissen hat, doppelt Isabel Maiorano für die AL im Dezember 2002 mit einer Einzelinitiative nach. 2003 kommt dann der Durchbruch: Der Stadtrat beantragt für die Jahre 2003 und 2004 einen Strompreis-Bonus für alle von jeweils 50 Mio Franken pro Jahr. Die Bonus-Aktion wird bis 2012 weitergeführt, solange es die finanzielle Lage von ewz erlaubt.
2007: AL & FDP erwirken Bonus bei den Abwassergebühren
Im Dezember 2006 interveniert Preisüberwacher Rudolf Strahm gegen die übersetzten Abwassertarife von ERZ beim Zürcher Stadtrat und verlangt eine Reduktion um 20 Prozent. Strahm beanstandet namentlich die ERZ-Praxis, Investitionen jedes Jahr vollständig zulasten der laufenden Rechnung statt über die Lebensdauer der Anlagen abzuschreiben. SP-Tiefbauvorsteher Martin Waser reist zusammen mit ERZ-Vizedirektor Urs Pauli nach Bern und verteidigt wortstark die Anhäufung betriebswirtschaftlich nicht ausgewiesener Reserven. Im Juni 2007 fordert Niklaus Scherr zusammen mit FDP-Mann Albert Leiser mit einer Motion einen auf drei Jahre befristeten 20-Prozent-Bonus bei ERZ Abwasser. Prompte Kehrtwende von Stadtrat Waser, der nun plötzlich für 2008 bis 2010 einen Erlass der Abwasser-Grundgebühr beantragt und damit die Bonus-Motion von AL & FDP erfüllt. Aufgeschreckt durch die Intervention des Preisüberwachers und um einer möglichen AL-Intervention zuvorzukommen, beantragt der freisinnige Vorsteher der Industriellen Betriebe, Andres Türler, 2009 eine markante Senkung des Wassertarifs.
AL & FDP gegen SP & Grüne
2010 scheitern AL und FDP zwar mit dem Antrag, die ausgelaufene Bonus-Aktion bei ERZ Abwasser weiterzuführen. Nachdem ERZ – entgegen der notorisch pessimistischen Budgets und Finanzpläne von ERZ-Chef Pauli – erneut enorme Reserven angehäuft hat, findet drei Jahre später eine AL-FDP-Motion für eine Bonus-Aktion, diesmal sowohl bei ERZ Abwasser wie bei ERZ Abfall, im Rat eine Mehrheit. Dagegen stimmen beide Male SP und Grüne. Die SP, gut gefüllten staatlichen Kässelis eh nie abgeneigt, befürchtet – völlig unbegründet und von den getürkten Zahlen von Pauli geblendet – eine Unterfinanzierung des service public. Beide Parteien rezitieren das Mantra der vermeintlich erzieherischen und lenkenden Wirkung hoher Gebühren. Und übersehen dabei, dass ERZ fixe, verbrauchsunabhängige Grundgebühren pro Wohneinheit erhebt und in der weit überwiegenden Mehrheit der Liegenschaften keine separate Messung des Wasserverbrauchs – und damit auch der Abwassermenge – pro Wohnung erfolgt.
2017 – 2021: Weitere Bonus-Aktionen bei ERZ
Ab 2017 folgen dank einem erneuten AL-FDP-Vorstoss bis 2021 weitere Bonus-Aktionen bei den Abfall- und Abwassergebühren. Diese können jedoch nicht verhindern, dass die ERZ-Überschüsse weiter anschwellen. 2020 beträgt das Eigenkapital bei ERZ Abfall 255 Mio und bei ERZ Abwasser gar 301 Mio Franken. Dazu kommen enorme stille Reserven aufgrund von überhöhten Abschreibungen, welche die PUK ERZ auf 672 Mio Franken schätzt. Zur Gewinnexplosion trägt auch bei, dass ERZ ab 2018 wegen des neuen Gemeindegesetzes endgültig auf seine übersetzten Abschreibungen verzichten muss. Bereits 2017 fordern deshalb AL-Fraktionspräsident Andreas Kirstein und FDP-Gemeinderat Albert Leiser in einer Motion grundsätzliche Remedur, eine Rückführung des überhöhten Eigenkapitals auf ein betriebswirtschaftlich erforderliches Ausmass und eine Rückvergütung der übermässig bezogenen Gebühren an die ERZ-Zwangskonsument:innen.
Eine Milliarde Franken Entlastung für Haushalte und Betriebe
Dank dieser Motion werden die Abwassergebühren von 2022 bis 2025 um sage und schreibe 80 Prozent gesenkt, von 2026 bis 2029 macht die Reduktion noch 55 Prozent und von 2030 bis 2033 25 Prozent aus. Bei ERZ Abfall sinken die Sackgebühren von 2023 bis 2026 um 25 Prozent und die Grundgebühren um 72 Prozent; für die Perioden 2027 bis 2030 und 2031 bis 2034 sind weitere, aber weniger starke Reduktionen der Grundgebühren vorgesehen. Trotz dieser Gebührensenkung können gleichzeitig 220 Mio Franken in eine Vorfinanzierung für den Neubau der dritten Ofenlinie und den Ersatz der Verbrennungslinien 1 und 2 eingelegt werden. In den nächsten vier Jahren werden Haushalte und Betriebe bei den ERZ-Gebühren um insgesamt 525 Mio Franken entlastet. Bis zum Ablauf Mitte der 30er-Jahre machen die Tarifsenkungen gegen eine Milliarde Franken aus.
260 Franken pro Haushalt – mehr als eine Steuerfuss-Senkung
Ein Haushalt wird in den nächsten vier Jahren im Schnitt um gut 260 Franken pro Jahr entlastet. Verglichen mit einer Senkung des Steuerfusses, welche die Bürgerlichen alle Jahre wieder in der Budgetdebatte fordern, kann sich das allemal sehen lassen. Ein Einpersonenhaushalt versteuert in der Stadt Zürich im Schnitt 44’500 Franken, ein Familienhaushalt 84’800 Franken. Eine 3-Prozent-Steuerfuss-Senkung brächte dem ersten gerade mal 64 Franken, dem zweiten 134 Franken – also bloss einen Viertel oder die Hälfte der Entlastung bei den ERZ-Gebühren…
Eben: Typische AL-Politik – Taten statt Worte.