Die AL-Fraktion hat ein Postulat eingereicht, welches die Rudolf-Brun Brücke und die Brunngasse umbenennen will in Frau-Minne-Brücke und Moses-ben-Menachem-Gasse. Willi Wottreng, du bist Mitinitiant. Was ist der Hintergrund?
1349 wurde die jüdische Bevölkerung von Zürich in einem von der Obrigkeit tolerierten Massaker ermordet. Das Eigentum der Ermordeten ging entschädigungslos an die Obrigkeit, so auch ein Haus mit der Synagoge an der Froschaugasse 4, das im Besitz der Frau Minne und ihres Sohnes, des Rabbi Moses ben Menachem war. Später erwarb der damalige Bürgermeister Rudolf Brun die eingezogene Liegenschaft zu einem symbolischen Preis. Vorher hatte die Familie in einem Stadtpalais residiert an der Brunngasse 8, wo ja die grossartigen Gemälde zum Vorschein gekommen sind, die derzeit in einem Film zu sehen sind.
Ausgerechnet die Rudolf-Brun-Brücke, eine der wichtigsten Brücken der Stadt, soll nach einer kaum bekannten Frau Minne benannt werden. Wie begründest du das:
Es geht um nichts weniger als die Ehrung der jüdischen Gemeinschaft im Mittelalter, die ausgelöscht worden ist. Es gibt genügend zentral gelegene Monumente aus jener Zeit, welche an die christlichen Teile der damaligen Gesellschaft erinnern, denken wir an alle Kirchen. Von daher ist das sogar ein bescheidener Beitrag.
Aber werden damit nicht historische Zeugnisse beseitigt, das ist doch auch nicht der richtige Weg?
So historisch ist der Name dieser Brücke auch nicht. Sie wurde erst 1951 ziemlich willkürlich auf Rudolf Brun getauft. Nachdem ein frischer Stadtpräsident und langjähriger Zünfter, Emil Landolt, den Zünften ein Geschenk machen wollte. Vorher hiess sie Uraniabrücke. Damals kam man auf Rudolf Brun, der Zürichs Zunftverfassung geschaffen hatte, und es brauchte ein bisschen Beugung der Geschichte, um diesen Diktator zum lupenreinen Vorgänger der Zürcher Demokratie zu machen. Vielleicht war die Brunsche Zunftrevolution nämlich ein verdeckter Putsch der Adelsklasse gewesen.
Ist das nicht etwas too much: Hier eine Strasse umbenennen, dort eine Brücke, hier noch einen Platz. Von Rosa-Luxemburg über die Äbtissin Katharina von Zimmern bis zu Frau Minne. Auch wenn das ein schöner Name ist.
Ein wachsender Teil der Bevölkerung beginnt zu verstehen, dass es einen Stadtumbau braucht in Bezug auf das Klima, und zudem in Hinblick auf den Verkehr. Es braucht aber auch einen kulturellen Stadtumbau. Ich meine damit, eine neue Mentalität in Bezug auf Unrecht in der Vergangenheit, überhaupt die Geschichte der Stadt. Stichworte sind Diversität, Feminismus, Antirassismus, Antikolonialismus. Es braucht eine neue Offenheit für den Blick auf die Schatten der Vergangenheit. Da gehört grad auch die Bührle-Diskussion dazu. Dieser mentale Stadtumbau steht erst am Anfang. Ich kann versichern: Da wird die Stadt in ein neues, interessantes Licht getaucht.