Die am 4. Januar 2022 eingereichte Stadtzüricher Volksinitiative «Mehr Alterswohnungen für Zürich» strebt eine Verdoppelung der Zahl der gemeinnützigen Alterswohnungen bis 2035 an (2019: 2000. 2035: 4000)
Die Notwendigkeit eines massiven Ausbaus ist unbestritten. Die Tatsache, dass Mieter*innen mit gekündigtem Mietverhältnis erst vier Monate vor dem definitiven Auszugstermin von der Stiftung Alterswohnungen (SAW) auf die Notfallliste aufgenommen werden, macht die Dringlichkeit dieses Anliegens deutlich. Ältere Mieter*innen bis vier Monate vor einer drohenden Ausweisung Ungewissen zu lassen, ist ein unwürdiges Abschüfeli-Konzept.
Die Frage kann also nur sein: Kann die Stadt Zürich das Angebot an preisgünstigen Alterswohnungen bis 2035 verdoppeln? Und wenn Ja: wie geht das?
Andreas Hauri hat am 8. November an der Medienorientierung zum Stand der Umsetzung der Altersstrategie gesagt, dass dies nicht möglich sie. Die Stadt könne das Portfolio der SAW bis 2035 nur um 1000 zusätzliche Alterswohnungen erhöhen (plus 50%). Schon dies sei nur mit einem grossen Zusatzeffort möglich.
Sehr positiv ist, dass an dieser Medienorientierung auch mitgeteilt worden ist, dass die SAW ihren Instrumentenkatalog zur Angebotserweiterung ausbauen will.
In der vor einem Jahr verabschiedeten Altersstrategie hat man sich noch auf die Forderung beschränkt, bei städtischen Neubauten einen ausgewogenen Anteil an Alterswohnungen einzufordern. Das war nicht sehr ambitioniert, weil die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich dieses Anliegen bei neueren Projekten schon berücksichtigt (Letzibach, Thurgauerstrasse).
Im Spätherbst 2021 war man bereits weiter. Die SAW will jetzt mit Land- und Liegenschaftskäufen, Kooperationen mit Genossenschaften und anderen Wohnbauträger und Satellitensiedlungen zusätzliche Alterswohnungen beschaffen.
Ein Massnahmenplan für mehr preisgünstige Alterswohnungen ist das aber noch nicht.
Massnahmenplan des Stadtrats für mehr preisgünstige Alterswohnungen
Deshalb regt das Initiativkomitee an, dass die Wohndelegation des Stadtrats zusammen mit der SAW jetzt an die Arbeit geht und so rasch wie möglich ein Programm für die Bereitstellung von mehr Alterswohnungen vorlegt.
Wir meinen, dass dieses Programm – unter anderem – folgende Einzelmassnahmen enthalten müsste.
1. Das Finanzdepartement soll künftig nicht nur bei kommunalen Wohnbauprojekten die Realisierung von Alterswohnungen prüfen, sondern auch bei der Vergabe von Bau-rechten an andere gemeinnützige Wohnbauträger. Es ist erfreulich, dass auf dem Kochareal dank einer Kooperation mit der Baugenossenschaft Kraftwerk die Stiftung für kinderreiche Familien ihren Wohnungsbestand erweitern kann. Warum auf dem Kochareal nicht auch die SAW zum Zug kommt, ist aber unverständlich. Das Gleiche gilt für die Vergabe von Baurechten an Wohnbaustiftungen (Projekt Guggach/Stiftung einfach Wohnen).
2. Künftig soll das Amt für Städtebau bei Planungsvorhaben den Bau von preisgünstigen Alterswohnungen systematisch einfordern. Bei Erhöhung der Ausnützung soll das neue Instrument der Mindestanteile an preisgünstigen Wohnungen systematisch für die Realisierung von preisgünstigen Alterswohnungen eingesetzt werden.
Mögliche Pilotprojekte sind
a. die Planung Bergacker der gemeinnützigen AG Habitat 8000 und der kommerziellen SwissLife (neu 600 Wohnungen) https://bergacker-affoltern.ch/
b. Das Projekt Heinrichareal der Anlagestiftung Tellco, in dem als Gegenleistung für die Erhöhung der Ausnützung nicht nur preisgünstige Familienwohnungen, sondern ebensolche Alterswohnungen erstellt werden sollen https://espazium.s3.eu-central-1.amazonaws.com/files/2019-11/jurybe-richt_heinrich-areal_zurich.pdf
3. Die SAW soll zusammen mit Liegenschaften Zürich klären, wie mit dem Kauf von Liegenschaften das Portfolio der SAW vergrössert werden kann. Es ist denkbar, dass private Eigentümer bereit sind, Objekte zu einem tragbaren Preis an eine städtische Stiftung zu verkaufen, wenn diese die Wohnungen kurz- oder mittelfristig als preisgünstigen Alterswohnungen vermietet.
4. Die Stadt soll zusammen mit der SAW die Diskussion mit den Wohnbaugenossenschaften über eine Erhöhung des Angebots an Alterswohnungen aufnehmen. In der am 20. Dezember veröffentlichten Studie der Wohnbaugenossenschaften zu ihrem Wohnungsangebot, den Mieten und der Bewohnerschaft weist Christian Portmann darauf hin, dass die Wohnbaugenossenschaften «die kritischen Punkte, wie beispielsweise der aus demografischer Sicht heute zu tiefe Anteil von kleinen Wohnungen für Einpersonenhaushalte» aufgreifen sollten. Diesen Ball sollte die Stadt aufnehmen. Es ist denkbar, dass die Wohnbaugenossenschaften künftig einen wichtigen Beitrag leisten können, älteren Mieter*innen mit tiefen Einkommen den Umzug in eine gemeinnützige Alterswohnung zu ermöglichen. https://www.wbg-zh.ch/news/publika-tion-gemeinnutziges-wohnen-in-stadt-und-kanton-zurich/
5. Das Vorhaben der SAW, Satellitensiedlungen zu unterhalten oder Wohnungen von anderen Bauträgen mit SAW-Dienstleistungen wie Beratung oder Spitex zu bewirt-schaften, soll rasch konkretisiert werden. Mit diesem Angebot kann die Erstellungen von preisgünstigen Alterswohnungen sowohl für gemeinnützige wie auch private Bauträger attraktiv gemacht werden.
Das Umdenken hat begonnen
Am 15. September 2019 hat die Stadt Zürich dem Gesuch der Baugenossenschaft Turicum entsprochen, im Ersatzneubau an der Lerchenhalde 20 23 preisgünstige Alterswohnungen durch 23 preisgünstige Wohnungen für Studierende zu ersetzen (Schriftliche Anfrage von Andreas Kirstein und Mischa Schiwow, GR 2020/503). An der Lerchenhalde werden im Sommer 2023 die im Jahr 1974 erstellten 48 Alterswohnungen abgebrochen und dauerhaft verschwinden. Es ist anzunehmen, dass die Stadt Zürich einem Gesuch zur Umwandlung von Alters- in Studentenwohnungen heute nicht mehr zustimmen würde.
Wir sind überzeugt, dass das grosse Umdenken schon begonnen hat. Wenn sich der Stadtrat verpflichtet – wie das die Gemeindeordnung verlangt – «für ein an der Nachfrage orientiertes Angebot an Wohnmöglichkeiten … für ältere Menschen» zu sorgen, wird es möglich sein, das von der Volksinitiative «Mehr Alterswohnungen für Zürich» angestrebte Ziel (plus 2000 bis 2035) zu erreichen.