Du lässt dich erstmals für ein politisches Mandat aufstellen. Was hat dich dazu bewogen?
Erstens mein Interesse an Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, zweitens die Neugier, die parlamentarische Politik besser zu verstehen. Drittens würde ich persönlich gerne mehr junge Frauen wählen, habe dazu aber nicht genügend Auswahl. Jetzt gerade stehe ich selbst an einem günstigen Zeitpunkt in meinem Leben für ein solches Engagement. Viertens sind wir mit vielen Herausforderungen konfrontiert, bei denen ich mich einbringen will.
Was für Herausforderungen?
Die Stadt Zürich verändert sich immer schneller. Diese Veränderungen dürfen bestehende Krisen aber nicht verstärken oder gar neue auslösen. Vielmehr sollten wir proaktiv die dringendsten Probleme wie mangelnde Sorgfalt − zwischenmenschlich, gegenüber Ökosystemen und dem Planeten − grundlegend angehen. Dabei spielt die Gestaltung des öffentlichen Raums eine wichtige Rolle.
Was wäre deine Idealvorstellung?
In Schwamendingen zum Beispiel sind momentan grosse Umgestaltungsprojekte im Gang. Menschen, die hier aufgewachsen sind und hier arbeiten, sollen trotz Sanierungen und Ersatzneubauten weiterhin zu einem zahlbaren Preis im Quartier wohnen und arbeiten können. So bleibt ihr soziales Netzwerk bestehen. Für das Zusammenleben sind Begegnungsräume wichtig. Das heisst mehr Grünräume mit Bäumen, die im Sommer Schatten spenden und deutlich schöner sind als eine Betonwüste mit Parkplätzen.
Grundsätzlich soll die bestehende Infrastruktur nicht einfach abgerissen, sondern günstig und ökologisch ergänzt werden. Das heisst auch keine neuen Infrastrukturen wie Tiefgaragen, höchstens noch Übergangsparkplätze für Menschen in noch Automobil- abhängigen Berufen. Ich möchte die ursprüngliche Gartenstadt-Idee wiederbeleben, aber mit gemeinschaftlichen statt privaten Gärten. Davon würde die Wohn- und die Arbeitsbevölkerung profitieren.
Was würdest du als erstes machen im Rat?
Meine Ratsmitglieder kennenlernen, um zu verstehen, in welchen Bereichen ich gemeinsam mit ihnen etwas verändern kann.
Wie bist du eigentlich politisiert worden?
Nach einer Banklehre und zwei Jahren im Private Banking habe ich die Matura nachgeholt und Agrarwissenschaften mit Vertiefung Agrarökonomie studiert. Während meines Studiums bildete sich die Klimastreikbewegung. Diese rief in mir Trauer über die anhaltende Zerstörung unseres Planeten und Sorge um dessen Zukunft wach. Aktivismus erkannte ich als einen Weg, mir für ein Thema Gehör zu verschaffen. Ich habe an den Hochschulen für Demos mobilisiert und mich intensiv mit dem Finanzplatz auseinandergesetzt.
Zuvor war ich bereits in der Flüchtlingshilfe aktiv und hatte mich um einen alleinreisenden minderjährigen Neuankömmling gekümmert. Das Bewusstsein für die politische Dimension, die das Anstossen von Veränderungen hat, ist aber erst mit der Klimabewegung gekommen.
Bei welchen Themen würdest du dich mit Vorstössen einbringen?
Ich möchte eine gesunde, ökologische und gerechte Ernährung fördern. Dafür werde ich Alternativen zu den Grossverteilern und die Etablierung der solidarischen Landwirtschaft unterstützen.
Insgesamt wünschte ich mir mehr lokale gewerbliche Vielfalt statt grossen nationalen und internationalen Ketten sowie mehr Partizipation in den Quartieren.
Die Stadt soll selbstbewusster über ihren Strassenraum verfügen und somit für die Interessen ihrer Anwohner:innen einstehen. Die Bewegung zu Fuss und mit dem Velo soll als Bewegungsart priorisiert werden – für Jung und Alt. Weiter braucht es mehr Flächen, die Pflanzen und nicht-menschlichen Tieren einen Lebensraum bieten.
Interview: Michael Schmid, Vorstandsmitglied
Aus: AL-Info 2103