Gesundheit ist eines der wichtigsten Menschenrechte. Fehlende Gesundheit erschwert die Verwirklichung der Lebensziele. Darum ist das Recht auf Gesundheitsversorgung breit abgestützt in der UNO-Menschenrechtskonvention, auf EU-Ebene, aber auch in der Schweizer Verfassung. Trotzdem haben sich sich Stadt und Kanton Zürich bisher kaum um die Gesundheitsversorgung der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppe gekümmert.
Der Staat foutiert sich um die Gesundheitsversorgung der Sans-Papiers
Sans-Papiers sind Menschen mit Lebensmittelpunkt in einem Land, in dem sie keine Aufenthaltsbewilligung haben – unkorrekt «Illegale», korrekt «undocumented migrants» genannt. Armut und Ausweglosigkeit lassen sie das schwere Los eines Lebens wählen, in welchem sie zwar Geld verdienen und heimschicken können, gleichzeitig aber auch Dauerangst vor Entdeckung und Ausweisung ertragen müssen – ohne Zugang zu Justiz und ausreichender Gesundheitsversorgung.
Sans-Papiers wurden in der Schweiz erstmals vor etwa 30 Jahren von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wurden in Zürich nie kollektive «Legalisierungen» gewährt. Damit geriet ihre menschenrechtswidrige gesundheitliche Unterversorgung immer mehr in den Fokus. Der Staat foutierte sich darum und berief sich auf das Krankenkassenobligatorium, das für alle Personen gilt, die sich zivilrechtlich in der Schweiz aufhalten (auch Sans-Papiers), wohl wissend, dass sich die meisten Sans-Papiers eine Prämie gar nicht leisten können.
Privatpersonen und NGOs wie SPAZ und Meditrina springen ein
Den abwesenden Staat ersetzten zivilgesellschaftliche Einzelpersonen und Organisationen. Exemplarisch dafür steht das Beispiel der Ärzt:innen ohne Grenzen, die 2006 in Zürich die medizinische Anlaufstelle Meditrina eröffneten, die seit 2010 vom SRK-Zürich getragen wird. Meditrina richtet sich – analog zu MSF-Projekten in der Dritten Welt – an Personen, denen der Staat keine Gesundheitsversorgung garantiert!
Die Bemühungen von Meditrina und der 2005 gegründeten Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (SPAZ)– beide karitativ finanziert – verbesserten zwar die Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers deutlich, aber … Wohltätigkeit ist ein Rezept mit hässlichen Nebenwirkungen! Für Betroffene ist das Erbitten von Hilfe demütigend und seitens der Wohltätigen entsteht die Gefahr des Machtmissbrauches. Die Gesundheitsversorgung muss deshalb vom Staat, als Vertreter der Gesamtbevölkerung garantiert und solidarisch finanziert werden.
AL – Motion ermöglicht Ausweg
Nun realisiert in der Stadt Zürich endlich der Staat seine diesbezügliche Pflicht und das kam so: Am 1. November 2017 reichte die AL im Alleingang eine dringliche Motion zur Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers im Gemeinderat ein und brachte sie 2018 auch durch. In der Folge erarbeitete der Stadtrat ein dreijähriges Pilotprojekt, welches im April 2021 im Gemeinderat angenommen wurde. Dieses ermöglicht den Sans-Papiers seit Anfang 2022 den Zugang zum städtischen Ambulatorium Kanonengasse und den Stadtspitälern sowohl strukturell wie finanziell und entschädigt die Bemühungen von Meditrina und SPAZ finanziell. Mit eingeschlossen ist eine Informationskampagne an Apotheken und Ärzteschaft einerseits sowie Sans-Papiers andererseits
Mit diesem Leuchtturmprojekt übernimmt der Staat erstmals in der Deutschschweiz seine Verantwortung für die Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers – ein fundamentaler Paradigmawechsel!
Arbeitsgruppe Gesundheit, David Winizki