Bei der Beratung der Neubau-Weisung im Juli 2012 und im Vorfeld der Abstimmung vom November 2012 übte AL-Sprecher Richard Wolff in zwei Fraktionserklärungen scharfe Kritik am stadträtlichen Kniefall vor der Bührle-Stiftung. Hier werden bereits alle Punkte angeschnitten, welche die aktuelle Debatte befeuern: die Geheimniskrämerei um den Leihvertrag, die eigenmächtige Provenienz-Forschung durch die Stiftung, das permanente Wegschauen der Behörden in der Causa Bührle, der drohende Reputationsschaden für die Stadt Zürich.
4. Juli 2012: “Kein weiteres Monument für Kriegsgewinnler“
«Nice to have aber nicht need to have – Kein weiteres Monument für Kriegsgewinnler» überschrieb Richard Wolff die Erklärung vom 4. Juli 2012:
«Laut wird in die Welt hinausposaunt, dass mit der Beherbergung der Bührle-Sammlung die grösste Impressionisten-Sammlung Europas entstehe – ausserhalb Paris. In Tat und Wahrheit entsteht aber keine zusammenhängende Sammlung. Die Eitelkeit der Leihgeberin will es, dass die Sammlung Bührle in separaten Räumen ausgestellt wird. (…)
Wenn man den Mund schon so voll nimmt und sich selbst zur Weltkulturhauptstadt ernennt, dann sollte die stolze Stadt Zürich darauf pochen, dass die Bührle Sammlung wirklich – und nicht nur marketingmässig – in die Kunsthaussammlung integriert wird. Wir halten es da mit dem international renommierten Zürcher Künstler Gottfried Honegger, der meint, zuallererst müsste die Sammlung Bührle der Öffentlichkeit geschenkt werden. Nur wenn die Bührle Bilder anhand von Kriterien der Kunst integriert und nicht nach Eigentümer segregiert werden, ist es zu rechtfertigen, dass die Stadt den Raum zur Verfügung stellt und für die Sicherheit der Bilder aufkommt (was die Waffen-Bührle-Erben ganz offensichtlich nicht mehr können).
Und auch dann bleibt der Makel der Herkunft der Bilder. Bis heute ist nicht bei allen Bildern die Herkunft geklärt. Unter welchen Bedingungen die ehemals jüdischen Besitzern gehörenden Bilder im, vor, während und nach dem Weltkrieg zu Bührle gelangt sind, ist nicht immer klar. Der Journalist Hans Schwarz nannte 1945 Bührle den „grössten und skrupellosesten Kriegsgewinnler unseres Landes“ und schrieb in der „Nation“ dass sein Vermögen „Blutgeld vom ersten bis zu letzten Rappen (ist) … umweht vom Leichengeruch der Massengräber … bezahlt mit dem Verlust einer zweitausenjährigen Kultur und bedeckt mit dem Moderstaub geborstener Dome und verbrannter Städte“. Den Grossteil seiner Geschäfte machte Bührle mit Nazideutschland.»
14. November 2012: “Reputationsrisiko für Zürich“
«Kunsthaus droht zum Reputationsrisiko für Zürich zu werden» hiess der Titel der zweiten Fraktionserklärung vom 14. November 2012, unmittelbar vor der Kunsthaus-Abstimmung:
«Wenn Bührles Sammlung» – so Richard Wolff – «nun statt in seiner privaten Villa im städtischen Kunsthaus ausgestellt werden soll, wird dies für verstärkte internationale Aufmerksamkeit sorgen. (…)
Die Frage der Herkunft der Bilder und wie diese in den Besitz Bührles gelangten, wird von der internationalen Öffentlichkeit noch intensiver gestellt werden. Die Antworten der Bührle-Stiftung sind bisher unbefriedigend. Dass sie selbst – in eigener Sache – die Provenienzforschung betreibt und den Zugang zu den Archiven kontrolliert, ist stossend. Wer wird seine Geldgeber schon als Profiteure des Holocausts darstellen wollen?
Wenn die Stadt mit Millionen von Franken diese Bilder in ihre Gebäude aufnimmt, muss ihr die vollständige Transparenz ein Anliegen sein. Leider sorgt die Stadt weder über ihren Einsitz in der Zürcher Kunstgesellschaft noch über ihre substanziellen Beiträge an Bau und Betrieb des neuen Kunsthauses für genügende Aufhellung der noch dunklen Geschichte. Ganz im Gegenteil: Die Stadt sorgt für neue Intransparenz. Es gibt einen Geheimvertrag zwischen der Zürcher Kunstgesellschaft und der Stiftung Bührle. In der Abstimmungszeitung wird dieser Vertrag mit keinem Wort erwähnt. Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wissen nicht, was der Bührle-Stiftung versprochen wurde. (…) Wer zahlt die Versicherungsprämien? Welche Kompetenzen hat der Kurator der Bührle-Sammlung im Kunsthaus? Wie sehen die Kündigungsbedingungen genau aus? Welche weiteren Vorteile zieht die Bührle-Stiftung aus dem Neubau?»
Die beiden Fraktionserklärungen im vollen Wortlaut: