(Bild: Markus Spiske/Unsplash)
Mit dem 2000-Watt-Paragrafen verfügt die Stadt Zürich bereits seit 2008 über ein Klimaziel in der Gemeindeordnung. Auf der Basis dieses ökologischen Auftrags wurden verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Primärenergiekonsum und die Treibhausemissionen der Bevölkerung zu senken. Noch in der Roadmap aus dem Jahr 2017 zeigte sich der Stadtrat über manche ökologischen Fortschritte erfreut. Trotz der Nennung von Rückschlägen und Zielkonflikten wurden keine signifikanten Planänderungen beschlossen. Der Stadtrat entschied sich dazu, dem drohenden Versagen mit der passivsten aller ihm zur Verfügung stehenden Optionen zu begegnen: Er versprach die „herausfordernde“ Lage kontinuierlich zu beobachten. Das Parlament schwieg mehrheitlich dazu.
Der in den letzten Jahren rasant zunehmende Kollaps ökologischer Systeme und das damit verbundene menschliche Leiden haben zusammen mit dem Druck von Zivilbewegungen zur Aufgabe dieser Beobachtungsposition geführt. Angesichts der real existierenden Klimakatastrophe stellt die bisherige Pflege dieser politischen Handlungspassivität keine ökologische, soziale und finanzielle Option mehr dar. Daher hat die AL zusammen mit anderen Kräften 2019 gefordert, dass der Stadtrat aufzeigen soll, wie Zürich bis 2030 dekarbonisiert werden kann.
Ökologischer Umbau für alle
Der Stadtrat hat sich ernsthaft dieser Aufgabe angenommen und in einer umfassenden Weisung, die von mehreren Studien begleitet wurde, aufgezeigt, weshalb das erwünschte Datum von 2030 in technischer, aber insbesondere in sozialer Hinsicht für das ganze Stadtgebiet nicht zu schaffen sei. Im Rahmen der mehrmonatigen Kommissionsarbeit wurden vergeblich Alternativen gesucht, um dieses Ziel zu erreichen. Hierbei konnte niemand einen plausiblen, geschweige denn einen konkreten Vorschlag machen, wie die grosse Fülle der notwendigen Massnahmen innert der nächsten acht Jahre so koordiniert werden könnte, dass es nicht zeitgleich zum Auszug von grösseren Bevölkerungsteilen aus der Stadt käme. Oder anders gesagt: Auch Zürichs privilegierte finanzielle und technische Position kann die verlorene Zeit nicht wettmachen. Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit zeigen nun ihre schädlichen Folgen.
Gleichwohl stellt die Tatsache, dass der Stadtrat Ökologie und soziale Gerechtigkeit zusammendenkt, aus Sicht der AL einen wichtigen Fortschritt dar. Erst die Berücksichtigung dieser beiden Gesichtspunkte erlaubt es, dass nicht genau jene benachteiligten Schichten, die schon jetzt am meisten unter der Klimakatastrophe leiden, die Rechnung für die Untätigkeit älterer und für die Ungeduld jüngerer Generationen zahlen. Der ökologische Umbau unserer Gesellschaft muss alle Schichten berücksichtigen und allen Menschen zugutekommen. Weitere soziale Widerstände und Verzögerungen können wir uns in dieser Materie nicht leisten. Wo die Dekarbonisierung die ärmeren Bevölkerungsteile besonders empfindlich trifft, müssen daher strukturelle Hürden abgebaut und gezielte Kompensationen so erfolgen, dass sich auch wirklich alle Schichten das Netto-Null-Ziel leisten und ihm dementsprechend anschliessen können.
Für ein ehrgeiziges, aber auch glaubwürdiges Ziel
Die AL hat sich deswegen mit dem stadträtlich vorgeschlagenen Zeithorizont kritisch auseinandergesetzt und in Zusammenarbeit mit der Klimaallianz Bereiche geortet, wo die Stadt den ökologischen Umbau schneller einleiten und durchführen kann. Wenn die Exekutive beispielsweise ihre Bauplanungsprozesse anpasst, Förderungsprogramme zur Treibhausemissionssenkung lanciert, den Ausbau vom öffentlichem und Veloverkehr forciert, dann kann das Nettonull-Ziel schneller als 2040 erreicht werden.
Diese Verschärfung ist der AL aber nicht genug. Nach all den Jahren, in denen die Klimakatastrophe verleugnet oder mittels sanfter Massnahmen aus der politischen Agenda verdrängt wurde, will und braucht die Bevölkerung in Sachen Umweltschutz mehr Sicherheiten. Darum setzt sich die AL dafür ein, dass sich die Stadt zu einem linearen Mindestreduktiontempo verpflichtet. Ebenso hat sie innerhalb der Allianz dafür gekämpft, dass die Berichterstattung häufiger stattfindet und tatsächlich zu Kursänderungen führt, wenn die Massnahmen nicht den gewünschten Effekt erzielen sollten. Die lähmende Inaktivität, welche das 2000-Watt-Ziel prägte, darf sich nicht wiederholen. Ohne diese Kontrollmassnahmen stünde nicht nur die ökologische Trendwende, sondern auch die politische Glaubwürdigkeit des Parlaments auf dem Spiel.