Kommunale Richtpläne vermitteln zwischen den übergeordneten Vorgaben der Raumplanung und der konkreten Umsetzung in Bauprojekten. Im Verkehr ist diese «Vermittlung» relativ einfach. Die meisten Verkehrsflächen gehören dem Gemeinwesen. Streit bei der Umsetzung der Richtplanung kann es nur geben, wenn a) der Kanton nicht einverstanden ist mit dem, was die Stadt machen will oder b) wenn die Regierung nicht tut, was Parlament und Öffentlichkeit wollen.
Stadtrats-Mehrheiten entscheiden
Mit dem seit 2018 für den Verkehr verantwortlichen Stadtrat Richard Wolff ist Punkt b kein Problem mehr. Der AL-Stadtrat hat während der parlamentarischen Beratungen der Richtpläne den Verkehrsrichtplan an Bedürfnisse und Willen der Bevölkerung angepasst. Grundlage dafür sind zwei mit schweren Geburtswehen erkämpfte Beschlüsse: Einführung von Tempo 30 auf den Hauptachsen und grünes Licht für Parkplatzabbau (womit das von der AL schon lange geforderte Ende des historischen Parkplatzkompromisses besiegelt wurde).
Warum war der Stadtrat nicht in der Lage, die Weichen schon bei der Erarbeitung des Verkehrsrichtplans (bis 2018) neu zu stellen? Der Grund ist die Arithmetik: Seit 1901 haben SP und FDP das Stimmenmehr im Stadtrat; andere Mehrheiten gibt es nur, wenn die SP bereit ist, nicht mit der FDP zu abzustimmen.
Wem gehört Zürich?
Bei der Siedlungsentwicklung ist alles viel komplizierter. Der übergrosse Teil des Siedlungsgebiets gehört privaten Eigentümer:innen. Diese können ganz grob in Private (Hauseigentümer:innen und grosse Immobilienkonzerne) und Gemeinnützige unterteilt werden. Weil Private die Bau- und Zonenordnung (BZO) beachten müssen, nicht aber den Richtplan, schlägt der Stadtrat sinnvolle Richtplanvorgaben nur auf Flächen vor, die nicht den renditegetriebenen Eigentümer:innen gehören.
Zwei konkrete Beispiele:
Als die SP in der Richtplandebatte einen Antrag stellte, «private» Innenhöfe öffentlich zugänglich zu machen, gabs von Seiten der FDP ein Huronengebrüll. Sie behaupteten, dass künftig Obdachlose auf den Dachterrassen der High Society Platz nähmen. Auf diesem Narrativ baut die FDP ihren Abstimmungskampf gegen die Richtpläne auf. Ihre Parole («Free Züri») macht deutlich, was der Züriberg unter Freiheit versteht.
Von der AL hat der Stadtrat den Auftrag erhalten, den Bedarf an öffentlichen Bauten im Siedlungsrichtplan festzuschreiben. Im Fokus standen Schulhäuser und Pärke. Getreu der erwähnten Grundidee, renditegetriebenen Grundeigentümer:innen keine Vorgaben zu machen, pfercht der Stadtrat den Flächenbedarf für gemeinwohlorientierte Nutzungen auf seinem eigenem Land und den Arealen der kooperationsbereiten Baugenossenschaften zusammen. Das schafft Nutzungskonflikte. Die Fragen lauten «Schule» oder «preisgünstige Wohnungen», «Polizeiposten» oder «Park»
Die AL will solche Nutzungskonflikte reduzieren. Sie fordert auch von renditeorientierten Grundbesitzer:innen Beiträge ein, die dem Gemeinwohl dienen. Sie hat deshalb in der Richtplandebatte Vorstösse eingereicht: Abschaffung der Arealüberbauung, Gestaltungsplanpflicht für Verdichtungsareale, Pflicht zur Erstellung von preisgünstigen Alterswohnungen auf privaten Arealen. Stadtrat und SP haben uns die Unterstützung verweigert.
Keine Antwort auf Zukunftsfragen
Deshalb hadert die AL mit dem Siedlungsrichtplan. Weil er keine Antwort auf die grossen Zukunftsfragen der Stadtentwicklung gibt: Einschränkung der Spekulation, Landsicherung für Pärke und Schulen, aktive Anti-Gentrifizierung statt blosses «Monitoring», klimaneutrale Siedlungsentwicklung durch Erneuerung im Bestand statt Abbruchorgien.
Wir haben uns für ein Ja entschieden, weil es nur so einen Siedlungsrichtplan gibt, den wir abändern können. Nur mit dem Siedlungsrichtplan können wir auf Planungsentscheide der Exekutive Einfluss nehmen.
Bild von Patrick Federi auf Unsplash