Mit 24 Jahren wurde ich in dieses Parlament gewählt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich das erste Mal voller Hochachtung das Rathaus betrat, in den ersten Kommissionsitzungen mich fast nicht getraute, vor dem Kommandanten der Stadtpolizei Fragen zu stellen und die Regeln dieses Parlaments nicht verstand. Seitdem hat sich vieles geändert. Die Angst gelegt, die Regeln gelernt und 1000 Sitzungsstunden überlebt.
An Einiges konnte und wollte ich mich in diesen sieben Jahren aber nicht gewöhnen. Ich kann bis heute nicht verstehen, wieso zu oft nicht die konkrete politische Forderung eines Vorstosses oder einer Dispo-Änderung im Mittelpunkt der Debatte steht. Immer wieder geht es auch um politische Eitelkeiten oder gar Machtdemonstrationen: wer hat den Lead? Wer war der Schnellere? Nur nicht das Gesicht verlieren, nur nicht einen Kompromiss finden. Dabei geht oft vergessen, dass ausserhalb dieser Halle praktisch niemand mehr unsere Debatten verfolgt. Die Medien schreiben höchstens noch kurze Artikel mit ausgewählten Quotes, paritätisch verteilt auf alle Parteien. Den live stream schauen sich jeweils 20 – 30 Personen an, wahrscheinlich vor allem Angestellte der Verwaltung, Direktbetroffene von Ratsgeschäften und die Medienvertreter*innen. Wir bewegen uns in einer Bubble und nehmen uns viel zu wichtig.
Auch wenn diese Spielchen oft anstrengend waren, sind sie nicht der Grund, wieso ich heute den Rat verlasse. Ich war gerne Gemeinderätin. Ich habe vieles gelernt, es hat oft Spass gemacht und ich habe beeindruckende Menschen kennengelernt, die in- aber vor allem ausserhalb des Parlaments für eine lebenswerte Stadt und eine andere Gesellschaft kämpfen. Ich möchte diese sieben Jahren nicht missen. Ich gehe, weil der Ratsbetrieb nicht mehr mit meinem Leben kompatibel ist. Er ist es für ganz viele nicht. Ich hoffe, dass dies endlich anerkannt wird, nicht nur von AL und Grünen, und sich endlich etwas ändern wird. Wir sind schon lange kein Feierabendparlament mehr und die Strukturen müssen angepasst werden. Nicht nur wegen uns Parlamentarier*innen, sondern auch wegen den Angestellten im Parlamentsdienst und der Verwaltung.
Der heutige Abschied aus dem Rat heisst nicht, dass ich mich von der Politik verabschieden werde. Die Themen der AL, wie zum Beispiel Grundrechte, Stadtentwicklung, Gleichberechtigung und eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung, bleiben aktuell. Ich werde mich nun einfach wieder ausserhalb des Parlaments dafür einsetzen. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass die eine oder andere Anfrage nach einem Polizeieinsatz nicht auch in Zukunft von mir inspiriert sein wird.
Christina Schiller