(Bild: Claudio Schwarz / Unsplash)
Wenn Raphael Golta über Basishilfe redet, greift er zu starken Worten. Mit dem «einzigartigen Pilotprojekt» zeige man, «wie effektive Armutsbekämpfung in einer Stadt wie Zürich funktionieren kann, obwohl das Migrationsrecht auf Bundesebene hier hohe Hürden vorsieht». In einem Schreiben an seine Mitarbeiter*innen stellte er die Basishilfe gar in eine Linie mit dem «Sonderweg» der Stadt «im Umgang mit der offenen Drogenszene in den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends».
Mit der Basishilfe reagiert das Sozialdepartement auf den sehr lesenswerten Bericht zur kostenlosen Mahlzeiten-, Lebensmittel- und Gutscheinabgaben in der Stadt Zürich[1]. Dieser empfiehlt, künftig stärker auf direkte finanzielle Hilfe statt auf einen weiteren Ausbau von Naturalleistungen zu setzen. Der Bericht ist im April publiziert worden.
Dann ist es sehr schnell gegangen. Am 10. Mai hat Golta den verdutzten Medien bekanntgegeben, dass der Stadtrat 2 Millionen für das im Juli 2021 startende und 18 Monate dauernde Pilotprojekt zur Verfügung stelle. Mit der Basishilfe wolle man in eine Notlage geratene Menschen unterstützen, die keinen Zugang zur Sozialhilfe haben oder beim Bezug von Sozialhilfe Risiken eingehen.
Genaueres erfuhren Gemeinderat und Öffentlichkeit am 30. Juni. Der Stadtratsbeschluss weist Caritas und SRK (Rotes Kreuz) als Anlaufstelle für finanzielle Unterstützung für Ausländer*innen aus, die bei Bezug von Sozialhilfe mit dem Verlust ihrer Aufenthaltsbewilligung rechnen müssen[2]. Vergabestellen für Menschen, die keinen Zugang zur Sozialhilfe haben, sind die Sans-Papiers-Anlaufstelle SPAZ (Sans-Papiers) und die Stadtmission (Sexarbeiterinnen).
Bezugsberichtigt sind Haushalte, die seit mindestens zwei Jahren in der Stadt Zürich leben. Leistungen sollen vorübergehend ausbezahlt und deshalb auf 6 Monate beschränkt werden. Von den restriktiven Bedingungen abweichen können die Leistungserbringer, wenn Kinder mitbetroffen sind. Zahlungen erfolgen nach den Regeln der Asylfürsorge. Deren Ansätze sind deutlich tiefer als die Sozialhilfe.
Mit den für die vom Stadtrat in eigener Kompetenz bewilligten 2 Millionen Franken können während der 18monatigen Pilotphase pro Monat nicht mehr als 50 Haushalte Basishilfe beziehen. Weil das nie und nimmer ausreicht, soll dem Gemeinderat schon im Herbst 2021 ein Antrag gestellt werden, die Mittel zu erhöhen.
Das ist zu begrüssen, weil der Gemeinderat das vom Stadtrat beschlossene 2-Millionen-Budget am 14. Juli freigeben musste, ohne dass eine Diskussion geführt werden konnte (der Stadtratsbeschluss kam viel zu spät). In der Sozialkommission haben die Unklarheiten schon im Mai zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Grünliberale und FDP haben sich darauf dem kategorischen Nein der SVP angeschlossen. Ein Referendum gegen eine Erhöhung des Kredits ist absehbar.
Deshalb ist damit zu rechnen, dass es im Mai 2022 eine Volksabstimmung über die Basishilfe gibt. Offen ist, ob die Basishilfe bei der Zürcher Bevölkerung auf so viel Zustimmung trifft, wie die Drogenhilfe in den 1990er-Jahren. Diese zu gewinnen ist die grosse Herausforderung.
[1] https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/22446
[2] Der Druck auf Arbeitsmigrant*innen hat zugenommen, weil mit der am 1. Januar 2019 in Kraft gesetzten Änderung des Ausländergesetzes auch nach 15 Jahren Aufenthalt in der Schweiz bei Sozialhilfebezug ausländerrechtliche Zwangsmassnahmen drohen. Siehe dazu poverty-is-not-a-crime.ch