AL-Fraktionserklärung zum Kommunalen Richtplan (SLöBa)
Wir gehen davon aus, dass sich in dieser Woche nicht alle bewusst sind, worüber hier debattiert wird: Vordergründig geht es um den Siedlungsplan für Zürich, ein Schrift-, Plan- und Kartenwerk, das die bauliche Entwicklung der Stadt für die kommenden Jahre strategisch begleiten soll. Eingebunden – wenn nicht gar «korsettiert» – wird es durch übergeordnete Richtplanungen, also die Vorgaben des Bundes sowie den kantonalen und den regionalen Richtplan. Der Richtplan ist behördenverbindlich und – wie die Stadt selbst sagt und immer wieder betont– absichtlich «unscharf». Zum Beispiel entstehen für die privaten Grundeigentümer*innen dadurch explizit keine automatischen Verbindlichkeiten. Nachdem wir ihn hier beschlossen haben, muss er von der kantonalen Baudirektion genehmigt werden. Wir agieren hier nicht als Repräsentant*innen einer autonomen Stadtrepublik Zürich.
Achtung: Spielwiese
Die demonstrative «Unschärfe» in den Formulierungen des Richtplans, deren latente Aggressivität einige in der Kommission immer wieder fuchsig gemacht hat, mag mit ein Grund sein, warum der vorliegende Antragskatalog einem in allen Parteifarben entgegenschillert. Die SVP will, dass über den Richtplan der Anteil von Ausländer*innen begrenzt wird. Die FDP geht so weit, dass sie harmlose Begriffe wie «Qualität» im Richtplan eliminiert, aus Angst, dies könnte die bereits heute arg gebeutelten privaten Grundeigentümer*innen vollends ihrer Freiheit berauben.
Während sich die Bürgerlichen also wie wilde Sandkastenkinder gebärden, die den anderen ihre Sandburgen kaputtmachen wollen, – wir werden das hoffentlich auch live mitverfolgen können- baut sich die GLP eine Stadt à la GLP in den Richtplan hinein: Hochhäuser, da, wo man verdichten kann, Grün drumherum. Wo’s das nicht tut, ein bisschen Bosco Verticale die Wände hoch. Unten das Büro, oben die Aussicht. Fertig ist die Stadt.
Aber auch was wir – die Linksgrün-Allianz – hier in den Richtplan schreiben werden, ist – sind wir ehrlich – mit Vorsicht zu geniessen. Wir versprechen alles, was das sozial-grün schlagende Herz aus Überzeugung vertreten muss: Aufwertung ohne Verdrängung, etappierte und sozialverträgliche Bauprojekte mit Einbezug der Quartierbevölkerung, Ruhe auch an den befahrensten Strassen, bauliche Verdichtung, ohne dass Bäume daran glauben müssen, Parks soweit das Auge reicht und vieles mehr.
Clash der Ansprüche
Die Diskrepanzen, mit denen sich unsere Gesellschaft auseinandersetzen muss – und das ist der wahre Hintergrund dieser Debatte – sind enorm: Die Stadt muss Platz schaffen für mehr Einwohner*innen. Dafür werden Häuser abgerissen und dadurch wird – das können wir drehen und wenden wie wir wollen – günstiger Wohnraum unwiederbringlich vernichtet, was die Wohnungsknappheit zusammen mit den Folgen der Pandemie (die muss an dieser Stelle auch erwähnt werden) noch weiter verschärfen wird. Dieser Prozess ist auch ohne Richtplan bereits in vollem Gange und hat unterdessen bereits ehemals verschlafene Quartiere wie Witikon eingeholt.
Die Stadt ist für die Erreichung des Verdichtungsziels ungesund stark von den privaten Grossgrundbesitzer*innen abhängig – jenen gehört der absolute Löwenanteil der Bauflächen auf Stadtboden, weshalb es umso lächerlicher anmutet, wenn die Sprachrohre der Immolobby hier im Gemeinderat immer wieder über «Enteignung» und «Eigentumsbeschränkung» lamentieren, wenn man sie in Tat und Wahrheit bis heute dank einer viel zu eigentümerfreundlichen Nutzungsplanung so schalten und walten lässt, wie sie will, Hauptsache, es wird gebaut.
Anderseits hat die Stadt diverse Aufträge aus der Bevölkerung erhalten, die es zu erfüllen gilt: Der Anteil an preisgünstigen Wohnungen muss massiv erhöht werden, die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft müssen erreicht werden, der Langsamverkehr muss stark gefördert werden, die Co2-Werte müssen drastisch gesenkt werden, die Stadt muss insgesamt kühler und mit Grünraum versorgt werden usw.
Die grosse Frage
Wir dürfen diese absolut zentralen Aspekte nicht aussen vor lassen und müssen uns in dieser Debatte der grossen Frage stellen: Wie kann der Umbau der Stadt in eine in jeder Hinsicht lebenswerte und auch funktionable Stadt der Zukunft gelingen, ohne dass der Weg dahin mit Leichen gepflastert ist, nämlich auf Kosten der sozialen Vielfalt, auf Kosten der heute noch bestehenden sozialen Gefüge und auf Kosten der Umwelt?
Errungenschaften des Richtplans
Auch wenn dieser Richtplan uns schon viel früher zur Verfügung hätte stehen müssen, er ist besser als gar keiner, denn er fordert Um- und Weitsicht ein: Wo muss Land für Schulen und weitere Infrastruktur für die wachsende Bevölkerung gesichert werden, wie stärken wir die Aussenquartiere? Dass die Bürgerlichen nicht einsehen, dass diese Landsicherung zum Wohl der städtischen Öffentlichkeit auf Dauer nur gelingen kann, wenn auch die Grossgrundbesitzer*innen ihre Verantwortung wahrnehmen, steht auf einem anderen Blatt.
Wir müssen die Planungsinstrumente nutzen, die wir haben
Die AL zieht bei vielen der links-grünen Anliegen mit und hält sich dort zurück oder mahnt zur Vorsicht, wo es ihr zu bunt wird. Wir sind uns wohl alle einig, dass die Vermessung der Stadt durch diesen Richtplan nur dann etwas taugt, wenn die Stadt dank ihm an Lebenswert gewinnt und wenn davon alle profitieren können. Edle Worte, die im Richtplan zu Worthülsen vertrocknen, dienen niemandem. Darum an dieser Stelle unsere Botschaft an die SP: «Eine Stadt für alle», remember!? Wir müssen Nägel mit Köpfen machen und die AL liefert mit ihren Motionen Ansätze dazu.
Aber dazu brauchen wir Mehrheiten. Wir müssen uns vom Instrument der Arealüberbauung, das mit seinen Goodies einzig der renditemaximierenden Maximalausnützung dient und um die Bautätigkeit der Privaten weiter anzukurbeln, abwenden. Etliche Beispiele bezeugen das. Wir müssen den Stadtrat mit der Hilfe einer Mehrheit des Parlaments dazu bringen, das Planungsinstrument des Gestaltungsplans in Bahnen zu lenken, die eine verträglichere Verdichtung garantieren. Nur er hat gegenwärtig das Potential, die oben erwähnten Forderungen aus der Zürcher Bevölkerung zu erfüllen, und wir werden versuchen, dies am Samstag aufzuzeigen.
Ansprechpersonen für Rückfragen:
Christina Schiller, AL-Gemeinderätin: 079 686 18 05
Andrea Leitner, AL-Gemeinderätin: 076 323 11 17