Am Anfang steht ein über zwei Jahrzehnte dauernder Wandel in der Kriminalitätsberichterstattung. Vor dieser Zeit erwähnten Medienberichte die Staatsangehörigkeit der Täter*innen in der Regel nicht. Dann begannen gewisse Kreise, die Nicht-Nennung der Nationalität in Polizeimeldungen in einen Akt der Intransparenz und der Vertuschung umzudeuten, damit man die Nationalität von Täter*innen politisch ausschlachten konnte. 2015 wurde als Reaktion darauf im Gemeinderat der Stadt Zürich ein Postulat überwiesen: Der Stadtrat solle prüfen, ob die Polizei in ihren Medienmitteilungen auf die Nennung der Nationalität von Verdächtigen verzichten kann.
Drei Erkenntnisse
Unter AL-Stadtrat Richi Wolff wurden vertiefte Abklärungen zur Sachlage durchgeführt. Es kristallisierten sich drei Erkenntnisse heraus, die heute genauso gültig sind wie damals:
- Die Erwähnung der Nationalität suggeriert, dass sich die Tat mit ihr erklären lässt. Dass andere Ursachen wie Armut, Bildungsniveau, Traumatisierung, Mutproben oder mangelnde soziale Kontrolle kriminelle Handlungen auslösen können, wird ausgeblendet.
- Wer regelmässig über kriminelle Ausländer*innen in den Medien liest, überschätzt als Folge davon den Anteil krimineller Ausländer*innen. Damit wird einer Vorverurteilung gewisser Staatangehöriger Vorschub geleistet, was nicht wünschenswert sein kann.
- Medienprofis schätzen «die regelmässige und unbesehene Nennung der Nationalität in der Kriminalitätsberichterstattung als unsachlich und in der Tendenz diskriminierend» ein, wobei jedoch eine Minderheit – alles Chefredaktoren – dieser Einschätzung widerspricht.
All diese Fakten führten Richi Wolff dazu, im November 2017 anzuordnen, dass die Stadtpolizei in ihren Medienmitteilungen die Herkunft von Täter*innen nicht mehr automatisch nennt. Ausgenommen davon sind Medienmitteilungen mit Fahndungsaufruf. Und auf Anfrage gibt die Stadtpolizei die Nationalität dennoch bekannt.
Die Freude über diese Änderung währte nur kurz. Es kam, wie es so oft kommt, wenn die Stadt Zürich in Gemeindeautonomie fortschrittlich handelt. Rechtsbürgerliche Kreise regten sich auf und versuchten via Kanton, der linksgrünen Stadt Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Das scheint ein schon fast Pawlow’scher Reflex zu sein.
Extreme Initiative und heikler Gegenvorschlag
Die SVP lancierte die Volksinitiative «Bei Polizeimeldungen sind die Nationalita?ten anzugeben». Zusätzlich sollten auch noch eine allfällige Doppelbürgerschaft und der Migrationshintergrund angegeben werden. Der Begriff «Migrationshintergrund» ist rechtlich höchst problematisch, da er gesetzlich nicht definiert ist. Letztlich verstösst die Initiative der SVP damit gegen die Verfassung, da die Gleichbehandlung von Schweizer Bürger*innen vor dem Gesetz nicht mehr gewährleistet ist. Und die Spaltung der Gesellschaft wird durch die Schaffung von zwei Klassen Bürger*innen weiter vorangetrieben.
Dem Regierungsrat ging diese Initiative zu weit und er formulierte einen Gegenvorschlag, in dem nur die Nationalität genannt werden soll. Um das Schlimmste zu verhindern, stimmte der Kantonsrat diesem im März 2020 zu. Die Jungen Grünen ergriffen postwendend das Referendum, u.a. mit Hilfe der AL. Deshalb stimmen wir nun über beide Vorlagen ab: einerseits über die Initiative der SVP, andererseits über den Gegenvorschlag des Regierungsrats.
Gegen die Spaltung der Gesellschaft
Uns Linken ist wohl klar, dass wir hier zwei Mal Nein stimmen müssen. Nur mit der Linken, den Jung-Parteien und der GLP allein gewinnen wir die Abstimmung im Kanton jedoch nicht. Aus diesem Grund hat sich das Komitee zu einem geeinten Auftritt zusammen mit der GLP und vereinzelten bürgerlichen Exponent*innen entschieden. So können wir hoffentlich auch bis in die Mitte und das bürgerliche Lager hinein die nötigen Stimmen holen. Nämlich auch bei jenen Leuten, die sich an der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft stören, und am unfairen Generalverdacht, dem Ausländer*innen ausgesetzt sind. Und bei denjenigen, die lieber die Kriminalstatistik zu Rate ziehen, als sich von Zeitungsmeldungen ein Ausländerkriminalitätsproblem suggerieren lassen. Auf der Webseite 2-nein.ch sind die entsprechenden Argumente aufgelistet.
Liebe Leser*innen, wir brauchen eure Unterstützung! Danke, dass ihr abstimmen geht und euren Bekanntenkreis (auch den bürgerlichen) für ein «2 x Nein» mobilisiert. Dann haben wir eine Chance, diese diskriminierenden Vorlagen zu versenken.
Anne-Claude Hensch
Aus: AL-Info 21/01
Mehr Infos findest du auf der Komitee-Seite.