In minutiöser Kleinarbeit hat die PUK-ERZ den Aufstieg des Dienstchefs der Stadtzürcher Entsorgungswerke zum strahlenden Patron nachgezeichnet – und sein grosses Scheitern. Ihr Bericht könnte das Drehbuch für eine Doku-Soap werden.
Gescheiterte Privatisierungswünsche
Alles begann im Jahr 1996 mit der Neustrukturierung der Entsorgung nach dem Zürcher Klärschlammdebakel und der Einsetzung des ABB-Managers Gottfried Neuhold als Sanierer. Es war die Zeit, als die Apologet*innen des Neoliberalismus auch in Zürich wüteten. Verwaltungen sollten fit für den Wettbewerb gemacht, Monopolbetriebe ausgelagert werden.
Mit der Erhöhung der Gebühren machte Neuhold fit für die Privatisierung des Stadtzürcher Entsorgungsunternehmen. Als 1998 die Gasversorgung in einer Referendumsabstimmung erfolgreich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, schien für Neuhold alles gut zu laufen. Im Juni 2000 scheiterte der Stadtrat aber beim Versuch, auch das ewz auszulagern. Als 2002 Martin Waser von Kathrin Martelli das Amt der Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements übernahm, war klar, dass die von Neuhold gewünschte Privatisierung des ERZ politisch nicht durchsetzbar wäre.
Der Zampano regiert
Das war die Stunde von Urs Pauli, der 1999 als Finanzchef zum ERZ gekommen ist. Neuhold firmierte zwar noch als Direktor. Der von Martin Waser protegierte Pauli war jedoch schon der alles kontrollierende Patron, der sich systematisch über städtische Regeln hinwegsetze.
Kurz vor seinem Wechsel vom TED ins Sozialdepartement schickte Stadtrat Waser Gottfried Neuhold als «Consultant» in den Frühruhestand. Pauli wurde zu dem «befördert», was er eh’ schon war: Dienstchef des ERZ.
Verstörend am PUK-Bericht sind die Passagen, die nachzeichnen, welchen Status der sich nun CEO nennende ERZ-Direktor in der grossen Gruppe der über 50 Dienstchef*innen der Stadt Zürich hatte. Er war der Zampano, der sowohl in der Verwaltung als auch im Gemeinderat als grosser Innovator gefeiert wurde. Den einen galt es als hervorragender Manager. Die anderen hofierten ihn als guten Patron, der Sozialstellen schafft und ein Pionier der Kreislaufwirtschaft war.
Auf Kosten der Haushalte
Keine der Mehrheitsparteien störte sich daran, dass sich Pauli auf der Basis massiv übersetzter Gebühren profilieren konnte. SP und Grüne gaben sich dem Trugschluss hin, dass mit den übersetzten Gebühren eine Lenkungswirkung erzeugt werden könnte. Auf bürgerlicher Seite huldigte man kritiklos einem Pseudo-Manager, dessen unternehmerische Fähigkeit auf einem ewig sprudelnden Gebührentopf basierte. Nur die AL stellte im Gemeinderat die vom damaligen Preisüberwacher Rudolf Strahm scharf verurteilte Gebührenpolitik immer wieder in Frage.
Besonders verdienstvoll an der Arbeit der PUK-ERZ ist, dass sie erstmals das ganze Ausmass des Stadtzürcher Gebührenskandals aufdeckt. Der Stadtrat erlaubte dem ERZ eine von A bis Z rechtswidrige Abschreibepraxis, mit der stille Reserven in Milliardenhöhe aufgebaut wurden. Auf 1,2 Milliarden Franken summiert der PUK-Bericht die zwischen 2005 und 2018 zu viel einkassierten Gebühren. Das entspricht rund einem Drittel der Gebühreneinnahmen des ERZ oder jährlich rund 400 Franken pro Haushalt. Das ist happig.
Das Versagen des Stadtrats
Die PUK hat in ihrem Bericht nachgezeichnet, dass dieser über lange Zeit andauernde Gebührenskandal auf die mehr als mangelhafte Aufsicht über die Tätigkeit des Dienstchefs zurückzuführen ist. Diese Aufsicht obliegt in erster Linie dem Departement und dem Stadtrat.
Verstörend ist die im Herbst 2020 verfasste Stellungnahme des Stadtrats zu dieser Kritik der PUK. Der Stadtrat weist die Verantwortung wahlweise an den Gemeinderat, seine Aufsichtskommissionen oder die unabhängige städtische Finanzkontrolle weiter und relativiert sein Scheitern mit der Bemerkung, dass die politische Führung bewusst und böswillig hintergangen worden sei.
Es ist jedoch Aufgabe der politisch Verantwortlichen, solche Täuschungsmanöver mit geeigneten Massnahmen zu verhindern. Der Stadtrat verfügt auch über die Ressourcen, diesen Auftrag wahrzunehmen.
Auftrag an Gemeinderat und seine Kommissionen
Die PUK ERZ hatte den Auftrag, auch das Handeln des Gemeinderats und seiner Aufsichtskommissionen zu untersuchen. Wie der PUK-Bericht deutlich zeigt, äusserten die AL und ihre Vertreter*innen sehr früh Kritik an der Ausrichtung von ERZ und hinterfragten immer wieder als einzige Partei überrissene Gebührenfinanzierung, überdimensionierte Projekte und nicht konforme Vorgehensweisen. Dem Gemeinderat als Ganzes fehlten Mittel und Einsicht, um die Dienstabteilung zu einem mit den Vorgaben einer städtischen Verwaltung vereinbaren Verhalten zu zwingen.
Die AL wird sich deshalb in den verschiedenen Gremien mit Nachdruck dafür einsetzen, dass das Büro des Gemeinderats und die Aufsichts- und Spezial-Kommissionen die von der PUK ERZ aufgeführten Mängel und die daraus abgeleiteten Empfehlungen thematisieren. Es braucht ein Massnahmenpaket, mit dem der Gemeinderat und seine Kommissionen in die Lage versetzt werden, gravierende Mängel in Weisungen und der Organisation der Verwaltung aufzudecken und frühzeitig zu korrigieren.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf die Organisation der Verwaltung und die Beteiligungen gelegt werden. Es ist kein Zufall, dass der PUK-Bericht massive Mängel in den vom ERZ auf- und ausgebauten Aktiengesellschaften festgehalten hat.
Zürich, 14. Januar 2021