Finanzplatz Schweiz: grösster Offshore-Player
Ende 2019 verwalteten die Schweizer Banken 7,9 Billionen Franken. 2,3 Billionen davon sind Privatvermögen ausländischer Kunden – ein Viertel der weltweit grenzüberschreitend verwalteten Vermögen. Kein anderer Finanzplatz hält einen so grossen Marktanteil. Seit der Finanzkrise ist auch die Nationalbank zum Grossinvestor aufgestiegen: von 2008 – 2019 sind ihre Devisenanlagen von 47 auf 794 Milliarden Franken und ihr Aktienbesitz von 5.6 auf 159.2 Milliarden emporgeschnellt.
Anlass genug, auf die Investitionspolitik politisch Einfluss zu nehmen. Die in kriegerischen Konflikten eingesetzten Waffen werden von Rüstungskonzernen auf der ganzen Welt hergestellt. Bevor sie aber Waffen herstellen können, müssen diese finanziert werden. Je weniger Akteure bereit sind, Rüstungskonzerne zu finanzieren, umso teurer wird für diese die Kapitalbeschaffung, umso teurer wird die Entwicklung, Herstellung und Verbreitung von Waffen, und umso langsamer schreitet die Aufrüstung und die Proliferation voran.
Rüstungsfinanzierung durch Nationalbank und Pensionskassen
In welchem Umfang die hiesige Finanzwirtschaft Rüstungskonzerne finanziert, ist aufgrund der Intransparenz der Branche schwer abschätzbar. Beispiele, die ans Licht der Öffentlichkeit dringen, zeigen ein düsteres Bild.
- Im ersten Halbjahr 2014 hat die Schweizer Nationalbank ihre Beteiligungen an den US-Rüstungskonzernen Honeywell International und Lockheed Martin ausgebaut, die massgeblich an der Entwicklung und Produktion von Atomwaffen beteiligt sind. Dies nachdem sie im Geschäftsbericht von 2013 verkündet hatte, nicht in Firmen zu investieren, die international geächtete Waffen produzieren.
- 34 der weltweit grössten 100 Rüstungshersteller profitieren von der Finanzierung durch die Nationalbank, darunter auch Raytheon und General Dynamics, die in die Produktion von geächteter Streumunition verwickelt sind.
- Die Credit Suisse investierte seit Januar 2011 etwa 1 Milliarde Dollar in Unternehmen, die Atomwaffen und Streumunition herstellen, nachdem sie 2010 angekündigt hatte, keine solchen Geschäftsbeziehungen mehr einzugehen.
- Die GSoA schätzt, dass Schweizer Pensionskassen 4 bis 12 Milliarden Franken in Rüstungskonzernen angelegt haben.
Anlagepolitik stärker regulieren
Die Kriegsgeschäfte-Initiative, über die wir am 29. November abstimmen, will wenigstens jene Kapitalmarktplayer, deren Anlagepolitik wir de facto ausgeliefert sind – namentlich unsere Pensionskassen und die Nationalbank, die zusammen 1.8 Billionen Franken verwalten – per Gesetz verpflichten, die Rüstungsindustrie nicht weiter zu finanzieren.
Der Bundesrat argumentiert, die Initiative «gefährde unsere Altersvorsorge, unseren Finanzplatz, unsere Wirtschaft und damit letztlich unseren Wohlstand.» (Guy Parmelin). Das Geschäftsmodell der Rüstungsindustrie funktioniert umso besser, je mehr Konflikte weltweit mit Gewalt ausgetragen werden und je mehr Unsicherheit herrscht. Ernsthaft:Sollen der Finanzplatz, die Wirtschaft und der Wohlstand der Schweiz davon abhängen, dass in der Welt möglichst viel Unsicherheit und möglichst viel Gewalt herrscht? Dann müssen wir umso dringender daran arbeiten, dies zu ändern.
Ausstieg aus fossilen Energien
Um die Rendite unserer Pensionskassengelder müssen wir uns dabei keine Sorgen machen. Die Erfahrung zeigt, dass ökologisch und sozial nachhaltige Investitionen auch ökonomisch nachhaltig Gewinn erwirtschaften.
Natürlich tritt bei einer Annahme nicht der Weltfrieden ein. Aber sie schüfe einen Präzedenzfall dafür, dass künftig Investitionen mit den sozialen und ökologischen Werten unserer Gesellschaft vereinbar sein müssen. Meines Erachtens wäre auch ein Investitionsverbot in Unternehmen wünschenswert, deren Geschäftsmodell auf fossilen Energien oder auf Suchtmitteln (etwa Tabak, Zucker, Glücksspiele) beruht.
Weckruf an die Nationalbank
Ein Ja wäre vor allem ein Weckruf an die Schweizerische Nationalbank, nicht nur in Bezug auf Rüstungsgüter, sondern auch hinsichtlich des Klimawandels ihre Anlagepolitik zu revidieren. Anders als die Zentralbanken von Schweden, Holland oder Frankreich, hält die SNB, getreu dem Mantra der geldpolitischen Neutralität, weiterhin an Investitionen in Kohle- und Ölkonzerne fest.
In den 1990er-Jahren stand der Schweizer Finanzplatz mit den nachrichtenlosen Vermögen und in den Nullerjahren mit seiner offensiven Schwarzgeld-Politik im Fokus. Auch bei der Anlagestrategie ist es an der Zeit, dass sich die Finanzbranche daran macht, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Umso früher er angegangen wird, desto schmerzloser und wirksamer verläuft der Divestment-Prozess.
Michael Schmid
Aus: AL-Info 20/04
Michael Schmid: Kriegsgeschäfte-Initiative: Ein Divestment-Präzedenzfall (PDF)
Mehr Infos zur Initiative: https://kriegsgeschaefte.ch