Andreas Kirstein: Die Gesundheitsdirektorin Kanton Zürich greift via Twitter das Bundesamt für Gesundheit an. Die Justizdirektorin kritisiert öffentlich die Maskenpflicht des Bundes. Ausdruck gutschweizerischer Streitkultur oder versagt hier gerade das föderale System Schweiz in der Krise?
Mauro Tuena: In der jetzigen Situation sind die Gesundheitsdirektoren der Kantone besonders gefordert. Ich bin froh, dass wir mit Natalie Rickli eine ausserordentlich fähige und kompetente Chefin über das Gesundheitswesen in unserem Kanton haben. Was sagst Du zur massiven Erhöhung der Blauen-Zonen-Parkkarte in Zürich?
Andreas Kirstein: Wie zumeist bei Gebührenerhöhungen eine unsoziale Massnahme, deren Lenkungseffekt bestritten werden darf und keinen einzigen neuen Veloweg bringt. Die Umsetzung der Gebühr fürs Nachtparkieren lehne ich aus Datenschutzgründen ab. Zudem verstösst deren «Busse auf Vermutung» gegen das Willkürverbot.
Mauro Tuena: Diese Vorlage des Stadtrates von Zürich ist asozial. Der Titel sollte heissen: «Öffentliche Blaue-Zonen-Parkplätze für reiche Bürger». Es trifft jene Leute ganz besonders hart, welche Schicht arbeiten und wenig verdienen und somit auf einen solchen Parkplatz angewiesen sind. Da machen wir ein Referendum.
Andreas Kirstein: Das fällt der SVP immer nur beim Auto ein. Ich habe mit Albert Leiser (FDP) dafür gesorgt, die Wasser-, Abwasser- und Abfallgebühren in der Stadt Zürich zu senken. Das hilft allen und nicht nur den Autofahrenden. Das Auto hat in der Stadt keine Zukunft, oder wie will die SVP die Städte wohnlicher machen?
Mauro Tuena: Das Auto hat sehr wohl eine Zukunft, auch in den Städten. Gerade in Zeiten wie dieser mit Corona-Ansteckungsgefahr insbesondere im öffentlichen Verkehr wird der motorisierte Individualverkehr als systemrelevant eingestuft. Hier zeigt sich deutlich, wie wichtig diese Art von Mobilität ist.
Andreas Kirstein: Apropos systemrelevant: Müsste das «System» nicht schleunigst geändert werden, um die globale Erwärmung zu stoppen und unser aller Überleben zu sichern? Vielleicht wären neben dem Umbau der Industrie für eine klimagerechte Gesellschaft die Prioritäten auch in der Mobilität neu zu ordnen?
Mauro Tuena: Kaum ein Industriezweig investiert so viel Geld und Kraft in die Entwicklung und Forschung von energieeffizienten Motoren wie die Automobilindustrie. Hybridfahrzeuge, Elektroautos und Wasserstoffmotoren sind nur einige Stichworte. Auch herkömmliche Verbrennungsmotoren werden immer schadstoffärmer.
Andreas Kirstein: Besonders innovativ hat sich die alte Automobilindustrie auch bei der Umgehung der Grenzwerte durch Software-manipulation gezeigt. Kein Wunder überholt der Tesla 3 inzwischen sogar den VW Golf bei den Verkäufen in der Schweiz. Liegt in der Elektromobilität die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs?
Mauro Tuena: Elektroautos geniessen Hochkonjunktur. Sie erfahren in der Politik und den Medien grosse Akzeptanz. Punkto Nachhaltigkeit werden wir aber noch auf die Welt kommen. Die Zeit ist zu kurz, um Akkus, welche maximal zehn Jahre Lebensdauer haben, in grossen Mengen entsorgen zu müssen. Und woher kommt der Strom?
Andreas Kirstein: Einverstanden! Darum setze ich auch auf intelligentere Lösungen mit digitaler Steuerung der Verkehrsflüsse, weniger Pendlerverkehr durch Home office – wo immer möglich – und die konsequente Förderung des öffentlichen und des Langsamverkehrs. Wann springt die SVP auf den Zukunftszug auf?
Mauro Tuena: Es sind SVP-Unternehmer, welche an vorderster Front am Entwickeln neuer Technologien mithelfen. Aber vom vollständigen autonomen Fahren sind wir noch einige Schritte entfernt. Homeoffice, das hat sich jetzt während dieser Corona-Krise gezeigt, ist nicht das Allerweltsmittel. Den motorisierten Individualverkehr einzuschränken, ist darum falsch.
Andreas Kirstein: Da trennt uns politisch weit mehr, als uns eint. Wenigstens verbindet uns die Liebe zur schönen Stadt Zürich und die Sorge um ihr Wohlergehen.