Es wäre sträflich, diese aussergewöhnliche Situation, in die uns das Coronavirus versetzt hat, und die daraus resultierenden Erfahrungen nicht zu nutzen, um das Miteinander neu aufzugleisen. Dass eine gute Gesundheitsversorgung, eine gute Kinderbetreuung und Schulbildung die Grundsteine einer funktionierenden Gesellschaft bilden, ist nichts Neues. Dass gewisse Politiker*innen diese seit Jahren der kapitalistischen Doktrin zu unterwerfen suchen, ist schon zu «normalen» Zeiten schwer auszuhalten, aktuell wirkt dieser Kurs aber nicht nur verfehlt, sondern geradezu zynisch.
Ebenfalls ist es nichts Neues, dass gerade die ungenügend bezahlten Jobs – die sich nun als systemrelevant herausstellen! – in erster Linie von Frauen und Migrant*innen erledigt werden. Heute vor einem Jahr bereiteten sich viele Frauen für den grossen Frauenstreiktag vor, arbeiteten Forderungen aus, organisierten sich, um endlich die längst versprochene Gleichstellung und Anerkennung ihrer Arbeit zu erhalten. Und wo stehen wir heute?
Die Forderungen des Frauenstreiks waren ein Gesundheitssystem, das sich nicht nach den Bedürfnissen einer wirtschaftlichen Sparpolitik – Stichwort Fallpauschale – berechnet, sondern nach den Bedürfnissen der Kranken richtet. Es darf nicht sein, dass Pflegepersonal wie auch angehende Ärzt*innen weiterhin so schlecht entlöhnt werden für einen Job mit so grosser Verantwortung! In dem Schichtarbeit und Dauerstress die Regel sind und wo meist mit einem Minimum an Personal geplant, und an der Ausbildung gespart wird. Unsere Gesundheit soll uns etwas wert sein – doch müssen die Kosten anders verteilt werden. Nun ist es Zeit, über eine lohnabhängige Einheitskrankenkasse zu reden.
Gefordert wird auch seit längerem eine flächendeckende Kinderbetreuung. Inklusive einer angemessenen Entlöhnung des Kita-Personals. Viele Studien zeigen auf, dass die Frühförderung essenziell ist für die Chancengleichheit in der Bildung. Dafür braucht es genug ausgebildetes Personal. Und es braucht Regeln und Massnahmen, welche die Kitas unterstützen, die bereit sind, in ihr Personal zu investieren und genügend Fachpersonen einstellen. Die Zeiten, um auf dem Buckel der Angestellten – und auch der Kinder – zu sparen, sind vorbei! Überhaupt sollte die Betreuung von Kleinkindern kostenlos sein, nur so wird der Mittelstand entlastet und Frauen können ebenfalls ihren Jobs nachgehen.
Und noch etwas zeigt sich in dieser Krise überdeutlich: die ungelöste Frage der Sans-Papiers. Auch hier sind überdurchschnittlich viele Frauen betroffen. Es muss eine humane, unbürokratische Lösung geben für Menschen, die teils über zehn Jahre lang hier leben, arbeiten – und dies meist unter prekären Verhältnissen –, um ihren Status zu legalisieren. Mario Fehr, mit seiner Äusserung, dass die Betroffenen ja ein Härtefallgesuch stellen können, in dem sie nachweisen müssen, dass sie in ihren Herkunftsländern bedroht würden, völlig an ihrer Realität im Hier und Jetzt vorbei zielt.
Wir sollten diesen Moment der Krise nutzen, um den Grundstein für eine humanere und solidarischere Gesellschaft zu legen. Dafür braucht es alle – und ganz besonders die Solidarität jener, die in den letzten Jahren – und teils auch in dieser Krise – finanziell profitierten!
Natalie Eberle, AL Gemeinderätin